GENDERTRAININGS__________________________________________
EIN MODELL ZUR IMPLEMENTIERUNG DER GEMEINSCHAFTSAUFGABE GESCHLECHTERDEMOKRATIE
Angelika Blickhäuser
Einordnung der Gendertrainings
in die Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung
Geschlechterdemokratie bildet
als Gemeinschaftsaufgabe den Kern des Leitbildes der Heinrich-Böll-Stiftung.
Der Begriff der Gemeinschaftsaufgabe impliziert dabei die Verantwortlichkeit
jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters für die Umsetzung dieses
Leitbildes in der Organisation und in der jeweils eigenen fachbezogenen
Arbeit. Umsetzungsstrategien und Handlungs-strategien zur Gewährleistung
des Transfers und zur Konkretisierung des Leitbildes müssen daher
in der alltäglichen Arbeit von jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter
eigenständig geleistet werden. Daher sollen die Gender-trainings dazu
beitragen, die Voraussetzungen
auf der persönlichen Ebene
auf der strukturellen bzw. betrieblichen Ebene
sowie auf der inhaltlichen und fachlichen Ebene
zu ermöglichen, so daß
die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Lage versetzt werden, konkrete
Maßnahmen innerhalb ihrer Arbeit zu entwickeln.
Das Konzept basiert auf der
Annahme, daß Konsensfähigkeit zwischen Einzelnen, zwischen
unterschiedlichen Interessen und damit auch zwischen den Geschlechtern
möglich ist. Durch einen intensiven gemeinsamen Dialog der Geschlechter
kann eine Basis für gemeinsames Handeln geschaffen werden. Dabei bietet
die aus den unterschiedlichen Organisationen geschaffene gemein-same Kultur
der Heinrich-Böll-Stiftung den Hintergrund für den Aufbau von
Dialog- und Ermöglichungsstrukturen. Eigenverantwortliches Handeln
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist eine weitere Voraussetzung.
Der gleichzeitige Erhalt autonomer Frauenbereiche und der parallele Aufbau
des geschlechterdialogischen Ansatzes bilden die Rahmenbedingungen.
Der nachfolgende Prozeßverlauf
verdeutlicht darüber hinaus den Weg und die ergänzenden Bausteine
zur Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung.
Dabei haben die Gendertrainings – als ein Baustein des Gesamtkonzeptes
- ihre Wurzeln :
in der entwicklungspolitischen Bildungs- und Projektarbeit
in der betrieblichen Frauenförderung
in der Frauenbildungsarbeit
in der Männerbildungsarbeit
in meiner supervisorischen Praxis.
Besonderheiten des Ansatzes
der Geschlechterdemokratie
Die Besonderheiten des Ansatzes
liegen dabei
-
in der durch die Gemeinschaftsaufgabe
festgelegten Verantwortung aller Akteure und Akteurinnen für die Umsetzung
des Leitbildes Geschlechter-demokratie in die konkrete Arbeit der politischen
Stiftung, d.h. in die politische Bildungsarbeit im In- und Ausland,
-
dem damit verbundenen Perspektivwechsel
I: Die Vertiefung demokratischer gesellschaftlicher Strukturen und Beziehungen
zwischen den Geschlechtern soll herausgelöst werden aus der Verantwortlichkeit
von Frauen und zu einem gemeinsamen Thema von Männern und Frauen werden.
-
dem Perspektivwechsel
II: Der Genderansatz ist nicht gleichzusetzen mit Frauenförderansätzen.
Ziel ist es, durch Geschlechterförderung die interne Stiftungskultur
durch dialogische Verfahren zu verändern, d.h. unter-schiedliche Perspektiven
von Männern und Frauen sollen einbezogen werden.
-
Die Umsetzung bezieht sich nicht
allein auf innerbetriebliche organisatorische Fragen, wie z.B. Quotierung,
Personalentwicklung, Fortbildung u.a. Die Umsetzung soll darüber hinaus
aufgaben- und fachbezogen, d.h. in der Heinrich-Böll-Stiftung eben
auch in der politischen Bildungsarbeit erfolgen.
-
Genderspezifische inhaltliche
Umsetzung bedeutet dabei den ernsthaften Versuch, die konkreten Arbeitsinhalte
unter männerspezifischen und frauenspezifischen (und migrationsspezifischen)
Blickwinkeln zu betrachten, Erkenntnisse der Wissenschaft und politische
Analysen mit gender-spezfischen Aspekten einzubeziehen, spezifische Wirkungen
der politischen (Bildungs-)Maßnahmen genderspezifisch zu analysieren
und die Ergebnisse konsequent bei der konkreten Gestaltung umzusetzen.
-
Der Ansatz versucht den traditionellen
betrieblichen Frauenförderansatz zu erweitern und weiterzuentwickeln,
da dieser in der Regel auf einem Defizitansatz für Frauen basierte
und zum anderen die männlichen Kollegen aus der Verantwortung entließ.
Der Ansatz kann auch nicht losgelöst von notwendigen Veränderungen
der institutionellen und organisatorischen Strukturen weiterentwickelt
werden.
Ziele
-
Förderung der Fähigkeiten,
des Wissens und des Bewußtseins über die unterschiedlichen Voraussetzungen
und Rahmenbedingungen der Lebenswelten von Männern und Frauen
-
Förderung und Vertiefung
der Analysefähigkeit auf der Grundlage vorhandener Kenntnisse der
Geschlechteranalysen
-
Förderung der Dialogfähigkeit
der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die Gemeinschaftsaufgabe
Geschlechterdemokratie und deren Relevanz für die Arbeit der Stiftung,
so daß das Leitbild durch deren konkrete Arbeit weiterentwickelt
und mit Leben gefüllt wird
-
Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter für die eigenen individuellen Handlungsmuster basierend
auf ihren eigenen Geschlechter-rollen und damit Förderung der kritischen
Reflexion des eigenen Verhaltens
-
Sensibilisierung für
die strukturellen, gesellschaftspolitischen und organisatorischen Rahmenbedingungen,
z.B. der geschlechtlichen Arbeitsteilung
-
Sensibilisierung für
die Notwendigkeit und Möglichkeit der Veränderung – sowohl des
eigenen Verhaltens als auch der Ausgestaltung der fachlichen Rahmenbedingungen
und der organisatorischen / strukturellen Bedingungen
-
Erarbeitung der persönlichen
und fachlichen Qualifikation zur Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe in
den jeweils eigenen Arbeits- und Fachzusammenhang
-
Erarbeiten konkreter Arbeits-
und Handlungsschritte für den eigenen Arbeitsbereich
-
Ermöglichen eines
fachbezogenen Erfahrungsaustausch zwischen den Kolleginnen und Kollegen
über die konkreten Arbeitserfahrungen bei der Umsetzung
Durch die Gendertrainings
und die damit verbundenen Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
soll die Qualität der politischen Bildungsarbeit erhöht werden,
in dem die Maßnahmen und Projekte fachlich innovativ und zielgruppengerecht
gestaltet und durchgeführt werden.
Innovation
Dabei ist es uns wichtig,
daß mit den gendertrainings Lust und Spaß gefördert wird,
an diesem innovativen Prozeß teilzuhaben , Einfluß zu nehmen
auf die Gestaltung der Bildungsarbeit innerhalb der Stiftung und politische
Wirkung nach außen zu erzielen.
Zielgruppen
Zielgruppen sind alle Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Stiftung, d.h. der Vorstand, die Führungskräfte,
die QuerschnittsreferentInnen, der In- und Auslandsbereich, das Studienwerk,
die Unternehmensdienste, das Archiv, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
die GeschäftsführerInnen der Landes-stiftungen, die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Auslandsbüros, die GutachterInnen, die ehrenamtlich
Mitwirkenden, die Stipendiaten und Stipendiatinnen der Stiftung, die KooperationspartnerInnen
und die ProjektpartnerInnen.
Dabei kann nicht allen Zielgruppen
bis Ende des Jahres 1999 ein gendertraining ermöglicht werden, gleichwohl
wird Mitte 2000 eine interne Evaluation stattfinden, auf deren Grundlage
das Konzept ( Basistrainings, Vertiefungstrainings, projekt- und themenspezifische
Trainings, train the trainer) weiterentwickelt wird.
Zusammenfassend sind die
Ziele der Trainings
Sensibilisieren – Motivieren
- Qualifizieren
Inhalte der Gendertrainings
Sensibilisieren: biografische und individuelle Elemente, eigene Rollenbilder
und Verhaltensweisen, unterschiedliche Lebensplanungen von Männern
und Frauen, gesellschaftliche Rollenzuteilungen u.a. sollen durch Übungen
verdeutlicht werden
Theoretischer Input
-
gesellschaftliche Rahmenbedingungen
und Voraussetzungen, die sich für Männer und Frauen unterschiedlich
darstellen
-
geschlechtliche Arbeitsteilung
und gesellschaftlich wirksame Muster von Geschlechterzuordnungen, z. B.
Zugang zu Ressourcen, Zugang zu wirtschaftlicher und politischer Macht,
Gerechtigkeit
-
Bedeutung von Arbeit unter
dem Aspekt der unterschiedlichen Begriff-lichkeit von Arbeit
-
Ungleichgewicht von gesellschaftlichen
Strukturen, die alten Männer- und Frauenbildern verhaftet bleiben,
und veränderten gesellschaftlichen Werteorientierungen, die
sich in der gelebten Alltagsrealität von Männern und Frauen zeigen
Politischer, sozialpolitischer und wirtschaftspolitischer Input
-
Die veränderten Werteorientierungen
(die sich unter anderem aus der Emanzipation der Frauen und den damit verbundenen
neuen Partnerschaftsmodellen entwickelt und zur Liberalisierung des Ehe-
und Familienrechts geführt haben) erfordern die Integration der Männer
in die Familienarbeit.
-
Die geschlechtliche Arbeitsteilung
und deren Auswirkungen auf Beruf und Familie erfordern zeitgemäße
Zeitsysteme und Arbeitszeitmodelle (Familienfreundlichkeit).
-
soziale Sicherungssysteme
für Familien, Nicht-Erwerbstätige und bürgerschaftliches
Engagement
-
Steuer- und Wirtschaftsstrukturen
-
Bedeutung der wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Bedingungen für die jeweils eigenen Fachgebiete
stiftungsintern
-
neue Karrieremuster für
Männer und Frauen
-
Vereinbarkeitsmodelle
für Männer und Frauen entwickeln
-
Bedeutung der Verknüpfung
von Geschlecht – Beruf und internen Arbeits-, Organisations- und Kommunikationsbeziehungen
-
Betrachten der eigenen
organisatorischen Rahmenbedingungen und Besonderheiten, Entwicklung neuer
Kommunikatonsstrukturen und Erarbeitung gemeinsamer Zielvorstellungen und
Strategien
Qualifizieren
-
Die fachliche Auseinandersetzung
mit o.g. Themen soll dazu beitragen, die Umsetzung in den eigenen Arbeitsbereich
zu erleichtern.
Motivieren
-
Neben der fachlichen Auseinandersetzung
soll die Motivation und der damit verbundene Spaß nicht vernachlässigt
werden.
Gendertrainings: Sensibilisieren
– Motivieren – Qualifizieren
Das Konzept der Gendertrainings
in der vorliegenden Form wurde – wie schon beschrieben – entwickelt auf
der Basis der Erfahrungen der Frauenförder-konzepte der betrieblichen
Personalentwicklung, der Gleichstellungspolitik von Verwaltung und Politik,
frauenspezifischen Weiterbildungskonzepten, der männerspezifischen
Bildungsarbeit, den Ansätzen der Gendertrainings in der Entwicklungszusammenarbeit
sowie supervisorischen Beratungsansätzen und Methoden der Organisationsberatung.
Eigene Trainings- und Superivisionser-
fahrungen, die Zusammenarbeit
im Team, d.h. ein männlicher und eine weibliche Trainerin und die
Erfahrungen aus der Männerberatungsarbeit bilden weitere Grundlagen.
Die Trainings enthalten
in der Regel folgende Bausteine:
-
Elemente der persönlichen
Auseinandersetzung mit genderspezifischen Fragestellungen. Diese Bausteine
fördern die Sensibilsierung für geschlechtliche Zuschreibungen
und Benachteiligungen und motivieren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen,
sich mit dem eigenen Verhalten auseinander zusetzen.
-
einen Input zu frauenpolitischen/feministischen
und genderspezifischen Fragestellungen, zur genderspezifischen Analyse,
d.h. die Auseinandersetzung zu Fragen der Machtverteilung, Kontrolle und
Zugang zu Ressourcen, Genderkonstrukte in der Gesellschaft u.a.
-
Arbeitsaufgaben, mit denen
die Umsetzung genderspezifischer Fragestellungen in die eigene Arbeitspraxis
praktisch erprobt werden soll. Dieses Element dient ebenfalls der Vertiefung
der fachlichen Qualifikation.
-
organisationsbezogene bzw. abteilungsbezogene
Elemente, d.h. sie setzen sich mit den Rahmenbedingungen und den Leitbildern
der jeweiligen Organisation und deren faktischer Umsetzung auseinander.
Die Gendertrainings werden
speziell konzipiert für die jeweilige Zielgruppe. Hier ist zu unterscheiden
zwischen den innerbetrieblichen Hierarchien, z.B. Sachbearbeitung und Referatsleitung,
Vorstand, Verwaltung oder politischer bzw. fachlicher Ebene, Inlands- und
Auslandsarbeit.
Angebote für die
Heinrich-Böll-Stiftung 1999
Voraussetzung für jedes
Training ist die genaue Klärung der Ziele, Erwartungen, der Themen
und der Aufbau des speziellen Trainings mit der Leitung, der Abteilung,
der Organisationseinheit oder der Zielgruppe. Dabei haben die Basistrainings
i.d.R. folgende Struktur:
Das Training dauert einen Tag ( 9.30 – 17 Uhr); wünschenswert wäre
eine längere Dauer.
Das Training findet außerhalb des Betriebes statt.
Das Training wird von einem männlichen und einer weiblichen Trainerin
begleitet.
Es enthält folgende
Bausteine:
Sensibilisierungsübungen
Fachlichen und theoretischen Input zur Genderanalyse und - planung, d.h.
der Ausrichtung der fachlichen Arbeit unter genderspezifischen Aspekten:
-
Wie sieht das Profil spezifischer
Betätigungsfelder von Männern und Frauen in der Gesellschaft
aus?
-
Welche Rollen üben
Männer und Frauen aus? Welche werden Ihnen zugeschrieben?
-
Wer hat Zugänge zu
und Kontrolle über Ressourcen-,Einkommens- und Vermögensverteilung,
Zugänge und Ausgrenzungen bei der Erwerbsarbeit, Zugänge zur
politischen Macht?
-
Welche praktischen und
strategischen Notwendigkeiten zur Veränderung der Geschlechterbeziehungen
werden gesehen?
-
Politische, kulturelle,
ökonomische, demografische und natürliche Determinanten der Geschlechterbeziehungen
Arbeit in Arbeitsgruppen: anhand konkreter und praktischer Beispiele aus
der eigenen Arbeit sollen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten im eigenen
Arbeitsfeld erarbeitet werden. Dieser Teil nimmt einen breiten Raum im
Rahmen des gesamten Trainings ein. Materialien zur Erarbeitung konkreter
Arbeitsbeispiele müssen den TrainerInnen vorab zur Verfügung
gestellt werden, so daß eine sorgfältige und zielgruppenadäquate
Vorbereitung möglich ist.
Zusammenfassung und Ausblick
-
Gendertrainings sind Sensibilisierungsworkshops
zur Ausübung der eigenen Geschlechterrolle, hier steht die eigene
Verortung und die Identität im Vordergrund des Trainings.
-
Gendertrainings sind Fortbildungsmaßnahmen
zur Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie. Hier steht
die Qualitätssicherung und Professionalisierung der Bildungsarbeit
im Vordergrund.
-
Gendertrainings sind eingebettet
in die Möglichkeiten des eigenständigen Handelns innerhalb der
Stiftung und im gesellschaftlichen Gesamtkontext: Ziel ist es daher auch,
die Begrenzheit des Ansatzes zu erfahren und darüber hinaus die Mechanismen
der Beziehungen zwischen den Geschlechtern zu verstehen und daraus jeweils
eigene Handlungsperspektiven für die Arbeit zu entwickeln.
-
Gendertrainings können
auf lange Sicht nur erfolgreich sein, wenn die Führungsebene das Leitbild
trägt und weitere Maßnahmen intern umsetzt.
-
Veränderungen in Organisationen
benötigen einen langen Atem. Gendertrainings können nur einen
Beitrag leisten, Veränderungsprozesse in Gang zu setzen bzw. kontinuierlich
zu begleiten.