In
fremden Diensten
Die
neue Dienstmädchenfrage als Herausforderung für die Migrations- und
Genderforschung.[1]
*
Von Helma Lutz
Isabel zog in das Haus
der Arztfamilie in einem Frankfurter Vorort. Bereits der erste Tag nach ihrem
Einzug war ihr erster Arbeitstag. Wie dieser Tag, so sahen alle ihre Arbeitstage
aus: Sie putzte die Privaträume der Familie, kochte, wusch, bügelte, versorgte
die drei Kinder und hielt die Praxisräume des Arztes und die seines Bruders,
der ebenfalls Arzt ist, sauber. Sie war sechs Tage in der Woche beschäftigt.
Als Arbeitszeit wurde vereinbart, daß sie von Montag bis Samstagnachmittag zur
Verfügung stand. Es gab keine Vereinbarung über eine täglich begrenzte
Stundenzahl. Samstagnachmittag und Sonntag hatte sie frei.
Auf den ersten Blick erinnert
diese Geschichte an längst vergangene Zeiten – es könnte sich um die
Lebensgeschichte eines Dienstmädchens aus der ländlichen Umgebung Frankfurts
handeln, einer jungen Frau aus einer kinderreichen, armen Familie, die gegen
Ende des 19. Jahrhunderts in die große Stadt zog, um dort ihr Brot zu verdienen
und noch einen Teil ihres Einkommens nach Hause zu schicken. Zu jener Zeit waren
1/5 aller Frauen im Deutschen Kaiserreich als Dienstboten tätig. In fremden
Diensten zu stehen gehörte sozusagen zum Passageritus junger Frauen vom Lande
und aus dem Arbeitermilieu, der den Übergang vom Kind zur Erwachsenen vor der
Heirat markierte.
Isabels
Geschichte ist keine alte, sondern eine sehr moderne, die sich am Ende des 20.
Jahrhunderts mitten in einem urbanen Kontext einer hoch-technologisierten
Gesellschaft abspielt. Isabel ist Philippinin, kommt aus einer Kleinstadt südlich
von Manila und reiste im Jahre 1988 im Alter von 40 Jahren in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Ihre Lebensgeschichte, die exemplarisch von der Ökumenischen
Asiengruppe (2000) dokumentiert wurde, ist eine von vielen, angesiedelt in der
post-modernen ,Schattenwelt‘.
Auch
jetzt noch, hundert Jahre später im Übergang vom Industriekapitalismus zum
‘Informationskapitalismus’ (Castells, 1996), treten Hunderttausende Frauen
gerade auch in den westlichen Industrieländern ‘in fremde Dienste’. Wie
kommt das? Waren Sozialwissenschaftler und Ökonomen nicht davon ausgegangen,
dass dieser ‘Beruf’ seit dem Zweiten Weltkrieg weitgehend verschwunden ist?
Wie kommt es, dass die Frauen- und Genderforschung sich zu diesem aktuellen Phänomen
noch kaum äußert? Hatte die feministische Bewegung nicht immer wieder darauf
hingewiesen und kritisiert, dass Hausarbeit und Kinderversorgung als weibliche
Domäne definiert gar nicht als Arbeit im eigentlichen Sinne sondern als
‘Arbeit aus Liebe’ (Bock & Duden, 1977) galten? Wie wird die Übertragung
der Hausarbeit und Kinderversorgung auf eine andere Frau individuell und kollektiv legitimiert und
theoretisch betrachtet?
Dieser
Artikel beschäftigt sich mit dem Phänomen der ‘neuen Dienstmädchen’ und
mit der Frage, warum sich paradoxerweise zur Zeit des heutigen
informationstechnologischen Umbruchs ein umfangreicher informeller, archaischer
Arbeitsmarkt etabliert hat.
Im
ersten Teil des Artikels werde ich auf den Umfang und die verschiedenen
Dimensionen der Arbeitsteilung im Privathaushalt eingehen, wobei ich mich sowohl
auf Forschungen in Deutschland und den Niederlanden beziehe, als auch aktuelle
Studien aus anderen europäischen Ländern berücksichtige. Außerdem werde ich,
aus Gründen, die noch näher erläutert werden, im historischen Rückblick die
heutige Situation mit der der ‘alten Dienstmädchen’ vergleichen.
Im
zweiten Teil wird die Frage danach, wie sich die "heimliche Rückkehr der
Dienstmädchen” (Odierna 2000, siehe auch Lutz 2000; Calloni /Lutz 2000) erklären
läßt, aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet, aus der Perspektive der
Frauen-/ Genderforschung und der der Migrationsforschung und jeweils mit einer
Reihe von Forschungsfragen abgeschlossen. Zwar ist das Dienstmädchenphänomen
historisch ein ‘altes’ Thema, dennoch wird in der Verbindung dieser beiden
Perspektiven deutlich, dass im Kontext von Globalisierung und der
Internationalisierung von Lebensläufen viele ‘neue’ Aspekte zu beachten
sind.
1. Die neue
Dienstbotenfrage - Kontinuität und Diskontinuität
In jüngster
Zeit erfahren wir vor allem aus den Medien, wie etwa der kürzlich (6.2.2001) vom ZDF gesendeten
Dokumentation mit dem Titel ,Schattenwelten‘, von einer Zeiterscheinung, der
Etablierung einer Schattenwirtschaft. Dabei geht es um die Tatsache, dass
Dienstmädchen, Kindermädchen, Haushaltshilfen, Putz- und Pflegefrauen in
zunehmendem Maße die Versorgungsarbeit des modernen Haushalts übernehmen.
Hatte lange Zeit die Vorstellung geherrscht, dass die technische Revolution im
Haushalt diese menschliche Hilfe überflüssig machen würde, so weisen diese
Berichte darauf hin, dass die domestic
helpers an der Schwelle des 21. Jahrhunderts in vergleichbarer Anzahl das
Haushaltsleben des Techno-Zeitalters prägen, wie das bereits vor 100 Jahren der
Fall war. Wie kommt es, dass eine Tätigkeit, die spätestens nach dem zweiten
Weltkrieg aus dem Berufsregister gestrichen wurde, heute wieder solche Aktualität
und Brisanz besitzt? Die einfachste Antwort darauf wäre: berufstätige Frauen
heute können die Doppelbelastung von Familien- und Berufsarbeit nicht ohne die
Hilfe einer ‘Hilfe’ organisieren. Vor 100 Jahren gab es andere Gründe:
Haushaltsangestellte gehörten zum Prestige einer Bürgerfamilie. Bei der
Untersuchung der Kontinuität und Diskontinuität der Hausmädchenfrage in
diesem Jahrhundert fallen damit erst einmal die Unterschiede ins Auge. Wie die
oben genannte Dokumentation erkennen läßt, sind die Hausmädchen von heute
Migrantinnen, Frauen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Ost-Europa, die in die
Zentren der reichen Welt auswandern, um von dort aus das (Über-) Leben ihrer
Familienangehörigen zu Hause zu ermöglichen. Darin spiegelt sich nicht nur die
weltweite Feminisierung der Migration (Koser & Lutz 1998) und die
Globalisierung des internationalen Arbeitsmarktes, sondern auch die Verschiebung
von Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnissen vom nationalen auf das
internationale Niveau: die Dienstmädchenfrage hat sich von einer Klassenfrage
zu einem ethnisch und national differenzierten Phänomen entwickelt.
Im
Gegensatz zu früher gibt es heute keine Quellen, die verlässliche Angaben über
den Umfang des neuen Dienstbotenwesens machen - auch dies ist ein Paradox
unserer technologisch überwachten Welt. Aus den bereits erwähnten
Medienberichten und den wenigen Studien, die es bislang gibt, geht hervor, dass
viele der Betroffenen entweder von der Ausländerbehörde nicht registriert als live-in
(einwohnend) in privaten Haushalten leben, oder aber illegal in mehreren
Haushalten arbeiten. Es handelt sich um ein Phänomen der Schattenwirtschaft;
die Betroffenen bewegen sich in einer twilight-zone,
einer geheimen, unsichtbaren Gemeinschaft, an deren Sichtbarmachung oder Veröffentlichung
kaum jemand Interesse hat. Dies gilt zumindest für Länder wie Deutschland und
die Niederlande, die seit Mitte der 1970er Jahre einen offiziellen Anwerbestopp
üben und Arbeitskräfte zur Verrichtung von Hausarbeit nicht legal zulassen. Im
Gegensatz dazu erteilen andere Länder, vor allem in Süd-Europa, so etwa
Italien, Spanien und Griechenland, die sich erst in jüngster Zeit von
klassischen Auswanderungs- zu Einwanderungsländern entwickelt haben (siehe
Koser, Lutz, 1998) jährlich bis zu zwei Drittel aller Arbeitsgenehmigungen an
Migrantinnen, die als Haushaltsarbeiterinnen (oft als live-ins) angeworben
werden (siehe Campani 1993; Anderson, Phizacklea 1997; Sarti 2001).
Nach
vorsichtigen Schätzungen über den Umfang des Phänomens in Deutschland gehen
Weinkopf (1996) und Odierna (2000) von 1,4 bis 2,4 Millionen
sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen in Privathaushalten aus.
Marianne Friese und Barbara Thiessen stellen in ihrer Studie über die Stadt
Bremen fest, dass jeder achte Haushalt bezahlte Hilfe in Anspruch nimmt (Friese/Thiessen
1997). Trotz aller Diskrepanzen, die aus diesen Zahlen sprechen, wird ein Trend
zum Beschäftigungszuwachs in diesem Bereich konstatiert. In der Dokumentation
,Schattenwelten‘ kam der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Schneider zu
Wort, der im Rahmen einer IMF (International Monetairy Fund) Untersuchung
errechnet hat, dass der Beitrag der neuen Dienstmädchen zum deutschen
Bruttosozialprodukt ca. 5,5 Milliarden DM per Jahr beträgt (siehe dazu auch:
www://shadoweconomy,linz.ac.at). Auch er spricht von einem steigenden Trend in
diesem Bereich.
Über
die Menschen, die diese Tätigkeiten ausführen, wissen wir noch wenig. Bekannt
ist jedoch, dass es zu mehr als 90% Frauen sind. Die Skala reicht von der
deutschen Arbeiterfrau, über türkische Migrantinnen, Aussiedlerinnen bis zu
polnischen, tschechischen oder russischen, aber auch asiatischen Frauen und Südamerikanerinnen.
Die hohen Schwankungen in den Schätzungen weisen darauf hin, dass viele Frauen
entweder halblegal oder illegal in diesem Metier beschäftigt sind. Polnische
Frauen in Berlin beispielsweise nutzen die Spielräume, die das
deutsch-polnische Abkommen bietet und die geographischen Vorteile der relativen
Nähe zum Heimatland, indem sie als Touristen ohne Visum einreisen und nach zwei
Monaten die Stadt wieder verlassen. Zu fünft oder zu sechst mieten sie eine
gemeinsame Wohnung an, arbeiten für mehrere Haushalte und organisieren eine
reibungslose Übergabe ihrer Tätigkeiten an ihre auf dieselbe Weise
einreisenden Bekannten oder Familienangehörigen aus Polen (Irek 1998). So
entsteht ein Rotationssystem basierend auf einem kollektiv betriebenen
informellen Pendlerinnennetzwerk. Polinnen sind (in den 1990er Jahren) die am
besten bezahlten Haushaltsarbeiterinnen in Berlin, mit einem Stundenlohn von ca.
15,- DM, gefolgt von Süd-Amerikanerinnen. Am untersten Rang in der Hierarchie
rangieren laut Anderson und Phizacklea (1997) Frauen aus der ehemaligen
Sowjetunion, aus der Ukraine, Weißrussland und aus anderen Ost-europäischen
Staaten.
Der
Heterogenität des Aufgabenbereichs, die Skala reicht von Putzen, Waschen und
Kochen, über die Betreuung von Kindern, alten Menschen und Kranken bis zum
Service bei Familien- und Betriebsfeiern, entspricht die Heterogenität der
Beschäftigungsverhältnisse: vom wöchentlichen 2stündigen Putzjob bis zum
24-Stunden Bereitschaftsdienst der
live-ins; wie schließlich auch die ethnisch Heterogenität der für diese
Arbeiten rekrutierten Frauen.
Wie
die Rekrutierung erfolgt, ist bislang nicht untersucht worden. Die legale
Rekrutierung, die in erster Linie für Nordamerika, Saudi-Arabien und die
bereits genannten Mittelmeerländer relevant ist,
verlagert sich zunehmend auf weltweit operierende Agenturen, die maids oder domestic workers
per Internet anbieten, kommerzielle Agenturen konkurrieren dabei mit kirchlichen
(meist katholischen), die beispielweise in Südamerika und in Süd-Ostasien
operieren und den Transfer ermöglichen, aber auch die karitative Betreuung der
Betroffenen im Aufnahmeland übernehmen[2].
Der
Organisationsgrad der betroffenen Frauen ist geringer als bei allen anderen
weiblichen Berufstätigkeiten, denn oft sind weder die Arbeitnehmerinnen noch
die Arbeitgeberinnen - allerdings aus unterschiedlichen Gründen - daran
interessiert, den klandestinen Charakter der Tätigkeit aufzugeben, da sie
negative rechtliche und soziale Folgen befürchten.[3]
Bislang am Besten dokumentiert ist
die Situation der philippinischen Frauen, da sich diese weltweit organisiert
haben. Die Geldüberweisungen der in Übersee arbeitenden Philippininnen stellen
die größte Devisenquelle des Landes dar; 1/4 der 80 Millionen zählenden
philippinischen Bevölkerung wird heute von Überseearbeiterinnen unterhalten[4].
Als domestic helpers werden
Philippininnen heute in vielen hoch-industrialisierten Ländern zugelassen, in
Europa, vor allem in Italien, Spanien und Griechenland. Ohne Arbeitserlaubnis
sind sie aber auch in Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien
(wo es die Zulassung für Hotelreinigungskräfte gibt) zu finden. Die
Vereinigung Babylan - Network of Filipinas
in Europe - geht von der Anwesenheit von ca. 500 000 Philippinas in Europa
aus, von denen aber natürlich nicht alle domestic
workers sind (Ratzinger, u.a. 1996). Der höchste Anteil befindet sich nach
Schätzungen in Italien, wo die meisten von ihnen als live-ins im Haushalt leben, und oft nur an einem Tag in der Woche
einen freien Tag in einer gemeinschaftlich für diese Gelegenheit angemieteten
Wohnung verbringen (Campani 1993). Viele von ihnen hinterlassen eigene Kinder
bei Verwandten, in Internaten oder beschäftigen ebenfalls eine ,Kinderfrau‘
zu deren Betreuung.
In
einem Dokumentarfilm ,De keten van liefde‘ (Die Kette der Liebe), der am
26.November 2000 im niederländischen Fernsehen gesendet wurde, finden sich
Hinweise auf eine etwas anders gelagerte Form des neuen Dienstmächenwesens:
Eine niederländische Frau aus Den Haag, etwa Mitte 30, Mutter von vier jungen
Kindern und als Freelance-Beraterin für große Firmen tätig, berichtet, dass
sie diese Kombination mithilfe ihrer philippinischen Au-Pair bewältigt, einer
jungen Frau, die rund um die Uhr im Hause ist und ihr ,die Ruhe‘ verschafft,
die sie zur Umsetzung ihrer immensen Tagesaufgaben benötigt. Diese Frau gibt
an, dass die Ausgaben für ihre Au-Pair etwa 2000,- HFL im Monat betragen, wobei
sie die täglichen Kosten mit 30,-HFL (ca. 1000,- HFL pro Monat) veranschlagt,
was bedeutet, dass sie ihrem ,Mädchen‘ ca. 1000,- HFL monatlich bezahlt.
Damit liegt sie über dem von der Internationalen Au-Pair Association (IAPA)
festgelegten ,Taschengeld‘ von monatlich 550,- HFL. Allerdings ist von dieser
Organisation auch festgelegt, dass die wöchentliche Haus- und Versorgungsarbeit
nicht mehr als 30 Stunden pro Woche in Anspruch nehmen darf und höchstens drei
Abende in der Woche gegen extra Bezahlung Dienste erwartet werden können.
Offiziell haben die Niederlande diese internationale Regelung nie ratifiziert
(siehe Henkes 1999, 57), und ihre Einhaltung wird auch nicht kontrolliert. Für
diese Arbeitgeberin hat die Lösung positive Seiten: die Krippen- und
Kindergartenbetreuung eines Kindes kostet monatlich genauso viel wie die Au-Pair
für vier Kinder. Negativ ist allerdings die Tatsache, dass die
Aufenthaltsgenehmigung für Au-Pairs ein Jahr nicht übersteigen darf und
dadurch jährlich jeweils eine neue ,Mitbewohnerin‘ eingearbeitet werden muss.
Da
die Etablierung des Au-Pair-Wesens ursprünglich ja keineswegs zur Deckung von
Bedarf am Arbeitsmarkt gedacht war, sondern zur Förderung des internationalen
Austauschs, jedoch heute zunehmend Au-Pairs aus Osteuropa und der Dritten Welt
kommen, kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Au-pair-Lösung gerade in
den Ländern dominiert, die bislang die offizielle Zulassung für
Hausarbeiterinnen verhindern – also etwa für die Niederlande und Deutschland.
Aus den wenigen Studien, die es bislang gibt (Hess 2000; Puckhaber 2000) kann
abgeleitet werden, dass Au-Pairs durchaus mit den Dienstmädchen vergleichbare
Charakteristika aufweisen und deshalb ebenfalls in diesem Forschungsbereich
anzusiedeln sind.
Über
die Europa-weite Situation der neuen Dienstmädchen haben Bridget Anderson und
Annie Phizacklea 1997 der Europäischen Kommission (Equal Opportunities Unit) einen Bericht vorgelegt ‘Migrant
Domestic Workers: A European Perspective’, aus dem hervorgeht, dass es sich
hierbei um ein Phänomen handelt, welches trotz unterschiedlicher juridischer
Regelungen viele europäische Gemeinsamkeiten aufweist. Der Sektor ist in den
letzten 10 Jahren explosiv gewachsen; auf der Arbeitnehmerinnenseite dominieren
in allen Ländern Migrantinnen, allerdings variieren die dominanten Gruppen länderspezifisch:
Nordafrikanerinnen in Frankreich, Spanien und Italien; Peruanerinnen und
Dominikanerinnen in Spanien; Albanerinnen, Eritreerinnen und Äthiopierinnen in
Griechenland und Italien, Polinnen und andere Ost-Europäerinnen in
Griechenland, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Die
Rekrutierungsrouten lassen sich oft im Rückblick auf frühere kolonialen
Verbindungen erklären. In allen Ländern gibt es wie in Deutschland ethnische
Hierarchien, die mit rassistischen Stereotypen legitimiert sind (weiß und
christlich oben - schwarz und muslimisch unten) und die sich in der Bezahlung
materialisieren. Die Forscherinnen nennen folgende gemeinsame Probleme der
Betroffenen: nicht-bezahlte Überstunden; niedriges Einkommen, oft unter der
Minimumlohngrenze; Verweigerung von Lohn, indem auf Versuchs- und Bewährungsperioden
die Entlassung folgt; Weigerung von Arbeitgebern, den Aufenthaltsstatus zu
legalisieren (aus steuerlichen Gründen etc.); Gewalt und sexuelle Belästigung;
Zwang zu zusätzlicher Arbeit (für Freunde und Kollegen); Aufgabenüberlastung
besonders dort, wo neben der Pflege von Kindern und Alten auch noch die gesamten
anderen Haushaltaufgaben übernommen werden müssen; das hoch-persönliche Verhältnis
zwischen den domestic helpers und
ihren Arbeitgebern (Anderson, Phizacklea 1997,3).
Anderson
und Phizacklea gehen davon aus, dass die Nachfrage nach domestic workers in den kommenden Jahren weiterhin beträchtlich
steigen wird. Gründe dafür sind zum einen die schnelle Überalterung der europäischen
Bevölkerung und die Tatsache, dass in vielen Ländern die Alten- und
Krankenpflege ungenügend staatlich geregelt ist. Europa-weit, so die
Autorinnen, pflegen nur 18% aller älteren Männer ihre bedürftigen Ehe-Frauen,
während umgekehrt das Verhältnis 54% ist (auch verbunden mit der
unterschiedlichen Lebensdauer). Ein anderer Faktor, der zum Wachstum dieses
Sektors beiträgt, ist interessanterweise die Veränderung des Lebensstils der
Mittelklassen: die Betreuung der Kinder ist anspruchsvoll, Putzen mit Öko-Produkten
ist zeitraubend, der Trend zu Naturfasern der Kleidung führt zu einer
zeitintensiveren Pflege (Handwäsche und bügeln mit dem Dampfbügeleisen), die
Sauberkeitsstandards haben sich verändert, die steigende Haustierhaltung
erfordert umfangreiche Haustierpflege usw. (Gregson, Lowe 1994).
2. Die alte
Dienstmädchenfrage
Wenn
im folgenden historischen Rückblick auf die ‘alte Dienstmädchenfrage’
eingegangen wird, dann aus zwei Gründen: erstens gibt es (noch) keine aktuellen
Debatten und Studien, die als empirischer
Vergleich oder theoretischer Kontext für die Erarbeitung dieser Frage dienen können.
Dagegen wurden in den vergangenen 20 Jahren Europa-weit zahlreiche
sozial-historische Studien zu (proletarischer) Frauenarbeit im 19ten und frühen
20sten Jahrhundert veröffentlicht, die unter dem Terminus ‘Dienstmädchenforschung’
einen beachtliche Corpus an Quellenbearbeitung aufweisen. In den (wenigen)
Studien der heutigen Zeit wird auffälligerweise auf die historische Bezeichnung
‘Dienstmädchen’ zurückgegriffen, vermutlich deshalb, weil noch unklar ist,
ob dies ‘neue’ Phänomen sich grundsätzlich von seinem Vorgänger
unterscheidet - mit anderen Worten: die Qualifikation des Phänomens als
‘neu’ fordert die Komparatistik mit dem ‘alten’ heraus. Zweitens dient
der Rückblick als Vergleichsaspekt für die heutige Situation, da mit seiner
Hilfe die Frage nach der Reproduktion, bzw. Modernisierung sozialer
Ungleichheiten gestellt werden kann. So stellt sich im historischen Rückblick
ebenfalls die Frage, ob die heutige Verbindung des Phänomens mit Migration eine
‘neue’ Erscheinung ist.
Ich
will bei der Beantwortung lediglich auf einige wenige Studien verweisen, die
sich mit dem Dienstbotenwesen in
verschiedenen historischen Perioden und an verschiedenen Orten befasst haben.
Aus ihnen geht hervor, dass es sich bei den Dienstmädchen früher - im
Gegensatz zu heute - vor allem um junge ledige Frauen ab 14 Jahre handelte, die
aus armen Familien kamen und diese Tätigkeit als Übergangstätigkeit bis zur
Eheschließung betrachteten.
Marianne
Friese (1991) hat in ihrer Dissertation über die Herausbildung der Frauenarbeit
im 19. Jahrhundert in der Stadt Bremen die Entstehung des
Dienstbotenproletariats dezidiert beschrieben. Diese, wie es damals hieß:
‘Transformation des ländlichen Gesindes zum städtischen Dienstbotenberuf’
entwickelte sich im Laufe des Jahrhunderts zur ‘Verweiblichung des
Dienstbotenberufs als typischer Prozess der Urbanisierung und Industrialisierung
(a.a.O.: 201). Damit ist gleichzeitig angedeutet, dass Dienstboten nicht immer
und nicht ausschließlich Frauen waren - im Gegenteil, bis Mitte des 19.
Jahrhunderts war der Beruf in vielen Ländern Europas männlich dominiert.
Im
Gegensatz zu heute wurde die Entwicklung des Dienstmädchenwesens damals
akribisch in den Stadt- und Kirchen- und Gesindebüchern dokumentiert. Aus der
Studie über Bremen ergibt sich ein interessantes Charakteristikum für diese
Gruppe von Frauen und jungen Mädchen: die Tatsache, dass sie in der Mehrzahl
nicht aus Bremen kamen, sondern Zugewanderte,‘Fremde’ waren. Die wichtigsten
Herkunftsregionen damals waren Hannover/Oldenburg, die zu Preußen gehörte. In
der Regel bekamen die Frauen erst nach zehnjähriger unbescholtener und
registrierter Dienstzeit die bremischen Bürgerschaftsrechte zuerkannt. Obgleich
das soziale Herkunftsmilieu relativ heterogen war, bestand der dominante Diskurs
jener Zeit in einer regelrechten Zivilisationsoffensive, in der ‘Verbildung’
und bürgerlichen Umerziehung der Landmädchen. Da man davon ausging, dass sie
als Dienstmädchen proletarische Männer heiraten würden (und auch sollten),
wurden die jungen Frauen als Erziehungsobjekte gesehen, mit deren Hilfe die
‘Hebung der Gesindekultur’ und schließlich die Hebung des Arbeiterstandes
erreicht werden sollte. So konnte sich die bürgerliche Haushaltsführung und
Familienidylle als Leitbild für das Proletariat entfalten (siehe Friese,
a.a.O., 250)
Gegen
Ende des Jahrhunderts mehrten sich die Forderungen nach einer
Professionalisierung der Dienstmädchen, Ausbildungsstätten wurden gegründet,
Kontrollen - auch der Arbeitgeber - über die Gesindebücher eingeführt, Klagen
vor den bürgerlichen Gerichten zugelassen, Dienstbotenkrankenkassen gegründet,
wie auch Interessenverbände: der erste Dienstmädchenverein im Jahre 1848 in
Leipzig. Die erste nationale Dienstbotenversammlungen fand um 1899 statt und
1906 wurde in Nürnberg der erste gewerkschaftliche Verein für Dienstmädchen,
Wasch- und Putzfrauen ins Leben gerufen (bei der Gründungsversammlung sind 1000
Frauen anwesend). Zielsetzung war die Abschaffung der Gesindeordnung und die
Anpassung der Rechtsverhältnisse an das bürgerliche Gesetzbuch, kürzere
Arbeitszeiten, bessere Kost und Behandlung, eigene Stellennachweise und
monatliches Kündigungsrecht. Sehr zögerlich wurde in diese Forderungen
eingewilligt. Der Anteil der Dienstboten, der um 1900 im damaligen Kaiserreich
noch 1 Million betrug, reduzierte sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte allmählich
als Folge des 1. Weltkriegs und der wirtschaftlichen Rezession. Zehntausende von
jungen Frauen ließen sich über die Vermittlung der
Auswanderungsberatungsstellen nach Amerika oder etwa in die Niederlande (siehe
unten) anwerben[5].
Eine
interessante niederländische Studie (Henkes 1995/8) befasst sich mit einem Phänomen
des Interbellums, mit deutschen Dienstmädchen, die über
Auswanderungsberatungsstellen seit 1920 angeworben wurden und nach ‘Holland’
reisten: 1934 waren es bereits 40.000 - nach dem Überfall der deutschen Armee
auf die Niederlande im Mai 1940 blieben nur noch 3500. Deutsche Dienstmädchen
wurden den niederländischen wegen ihrer `Tüchtigkeit und schnellen
Anpassungsgabe’ vorgezogen. ‘Das deutsche Dienstmädchen ist höflich und
gebildet, beschwert sich nie, zeigt sich dankbar für Extra-Freundlichkeiten, so
eine Haager Dame Anno 1933. Diese Entwicklung vollzog sich zum Leidwesen der
niederländischen Kolleginnen, die über ihre gewerkschaftlichen Organisationen
gerade dabei waren, den Arbeitgeberinnen Zugeständnisse abzuringen. Deutsche
Dienstmädchen dagegen wurden von der Arbeitgeberseite für ihr ‘Hören, Sehen
und Schweigen’ gepriesen. Henkes beschreibt in ihrer Studie die Probleme
dieser Migrantinnen, die in vieler
Hinsicht mit denen heutiger Migrantinnen übereinstimmen. Interessant ist neben
den Lebensgeschichten dieser Frauen vor allem die rasche Veränderung ihres
Imagos, von der geliebten gründlichen
Perle zur deutschen Verräterin in
der Kriegs- und Nachkriegszeit. Ihre Verortung im Privathaushalt prädestinierte
diese jungen Frauen angeblich zur ‘Spionin gegen das niederländische Volk’.
Dieser Mythos konnte mit der Studie widerlegt werden. Wir sehen hierin ein
Beispiel dafür, dass neben dem Geschlecht die nationale Zugehörigkeit und
Zuordnung zum dominanten Platzanweiser werden kann, wenn dies die politischen
Verhältnisse erfordern.
Zusammenfassend
kann hier festgehalten werden, dass eine vorsichtige Bilanz sowohl auf Kontinuitäten
als auch auf Diskontinuitäten der heutigen und der früheren Situation
hinweist. Trotz aller historischen Differenzen ergeben sich folgende Übereinstimmungen
zwischen der alten und der neuen Dienstmädchenfrage: a) die Tatsache, dass die
historische Entwicklung der Feminisierung
des Dienstbotenberufs auch heute noch relevant ist. Die (wenigen) aktuellen
Studien weisen darauf hin, dass es sich bei den Betroffenen um Frauen handelt,
die b) mehrheitlich diese Tätigkeit als Übergangsperiode betrachten.
Im
Unterschied zu ihren historischen Vorgängerinnen sind die heutigen ‘Dienstmädchen’
älter (nicht selten verheiratet und Mütter) und es geht nicht um die Überbrückung
der Zeit zwischen Schule und Heirat, also der Gründung eines eigenen Haushalts,
sondern oft um die Bewältigung einer finanziellen familiären Krise, die
Versorgung der Familie, die Ausbildung der eigenen Kinder oder ähnliches (siehe
Parennas, 2001; Irek, 1998; Nyberg Sørensen, 1999). Aus den bislang
vorliegenden Studien geht hervor, dass die Haushaltshilfen des 21. Jahrhunderts
gebildeter sind als ihre Vorgängerinnen sind. Wollen Frauen für eine Arbeit im
Ausland in Betracht gezogen werden, dann wird von ihnen erwartet, dass sie
bereits im Inland ein ‘Training’ erhalten haben, dass sie über
Fremdsprachenkenntnisse (meist englisch) verfügen oder zumindest die Fähigkeit
besitzen, sich in einem fremden Land zu orientieren (siehe dazu auch die
zahlreichen websites in denen Dienstmädchen mit Photo und Personenbeschreibung
angeboten werden). Unter ihnen befinden sich Lehrerinnen, Studentinnen,
Juristinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern. Mit diesen Berufen können sie
in ihren Heimatländern kaum Brot verdienen, sie wandern dorthin, wo sie
gebraucht werden. Allerdings ist dort nicht ihre professionelle Expertise gefragt, sondern eine andere Kapazität,
die Frauen scheinbar weltweit besitzen und die entweder ihrer Natur oder ihrer Gender-Sozialisation
zugeschrieben wird: die Fähigkeit zu putzen und zu pflegen, den intimsten
Bereich diskret zu behandeln, ein Heim zu schaffen, die Kinder ihrer Arbeitgeber
wie ihre eigenen zu versorgen, bedürftige alte Menschen geduldig zu pflegen.
Bei
der Betrachtung der aktuellen Situation ist zu vermuten, dass
Professionalisierung der Dienstbotentätigkeit heute keine relevante Option ist.
Denn im Prinzip sind die Versorgungsberufe ja bereits professionalisiert: es
gibt Kindergärtnerinnen, Altenpflegerinnen, professionelle Putzkolonnen etc.
Allerdings macht die Existenz dieses Phänomens darauf aufmerksam, dass der
Versorgungsstaat entweder Versorgungslücken aufweist oder aber von Prämissen
ausgeht, die in der Realität nicht zutreffen. Letzteres steht in engem
Zusammenhang mit der Frage der geschlechtsspezifischen
Verteilung von Hausarbeit: zu erinnern sei hier and die ‘alte’
Forderung der Frauenbewegung nach sozialer Aufwertung von Haus- und
Reproduktionsarbeit und nach gerechter Arbeitsteilung im Haushalt. Aus einer
deutschen Zeitbudgetstudie der 1990er Jahre (Künzler, 1995) geht hervor, dass
trotz aller Emanzipationsrhetorik die Beteiligung der Männer an Hausarbeit und
Kinderbetreuung seit Jahrzehnten konstant niedrig geblieben ist. Obgleich in den
Niederlanden ein leichter Anstieg männlicher Beteiligung an der Hausarbeit
festgestellt wurde, kann von gleicher Beteiligung keine Rede sein (siehe v.d.
Lippe, 1993).
Daraus
ergeben sich empirische und theoretische Fragen für die feministische
Forschung, die im folgenden Abschnitt behandelt werden sollen.
3. Dienstmädchen
als Herausforderung für die Geschlechterforschung
Die
Bipolarität von Privatheit und Öffentlichkeit als Merkmal moderner
Gesellschaften gehört seit langem zu den zentralen Themen der
Geschlechterforschung. Sie beruht auf der Vorstellung, dass bestimmte Funktionen
und Handlungen dem öffentlichen Leben entrissen (privare = berauben) und im
privaten eingeschlossen sind. Laut Hannah Arendt (1981) wurden Frauen und
Sklaven bereits in der Antike der privaten Sphäre zugeordnet. Die Betrachtung
der separate spheres bezieht sich
darauf, dass Handlungen und Eigenschaften öffentlich und privat lokalisiert und
gleichzeitig geschlechtlich verortet werden. Indem Berufsarbeit und Politik dem
öffentlichen Sektor zugeschrieben werden, erfolgt auch die Verortung des männlichen
Geschlechts in diesem Bereich, während der Sektor, in dem die
Reproduktionsarbeit erfolgt, weiblich definiert ist. Nun hat die
Geschlechterforschung diese Grenzziehung und die damit verbundenen Gender-Codes
zur Diskussion gestellt (‘Das Private ist politisch’). Sie hat die
unthematisierte Arbeit von Frauen im Reproduktionsbereich im Hinblick auf die
Erwerbsarbeit der Männer (hinter jedem berufstätigen Mann steht eine Frau)
systematisch ins Blickfeld gerückt. Sie hat darauf hingewiesen, dass es einen
implizit vorhandenen Geschlechtervertrag gibt, demzufolge nicht nur die Berufs-
und Versorgungsarbeit geschlechtsspezifisch differenziert, sondern dass diese
auch mit hierarchischen Distinktionen verbunden ist, die die männliche Norm zum
Beurteilungsmaßstab erheben.
Die
Behandlung der Dienstmädchenfrage bestätigt einerseits die These vom
Geschlechtervertrag, andererseits stellt sie sie in Frage. Denn Frauen in den
westlichen Industrienationen, einschließlich der südeuropäischen Staaten,
sind mittlerweile in großer Zahl ins Berufsleben eingetreten, aber die
erforderliche Mentalitäts- und Organisationsveränderung im patriarchalen
Berufsverständnis ist keineswegs erfolgt. Die Verantwortung für die
Versorgungsarbeit wird weiterhin den Frauen zugeschrieben und führt entweder zu
Doppelbelastung oder zur Suche nach einer Haushaltshilfe im privaten Bereich.[6]
Stellvertretend
soll hier ein Beispiel aus der Arbeit von Simone Odierna (2000,111-114) angeführt
werden:
„Frau
Montfort ist 35 Jahre alt, sie ist von Beruf Professorin und mit einem Ökonomen
verheiratet, der in einem mittleren Unternehmen arbeitet. Die beiden haben zwei
Kinder von 9 und 5 Jahren, die jeweils halbtags die Schule bzw. den Kindergarten
besuchen. ¼. Das
Haushaltseinkommen beträgt etwa 13 200 DM pro Monat ohne die unregelmäßigen
Nebenverdienste von Frau Montfort beim Fernsehen. ¼.
.Die Arbeitsteilung in der Familie ist relativ konventionell. Frau Montfort hat
alle klassischen Hausarbeitsbereiche übernommen bzw. die Vergabe organisiert.
Herr Montfort ist für Reparaturen, Elektroarbeiten, Autos und Fahrräder zuständig,
außerdem holt er Getränkekisten, bringt Flaschen zum Container etc. und macht
alle schweren Arbeiten. Nicht ganz konventionell ist allerdings, dass er die
Kinderbetreuung an zwei Wochentagen vom späten Nachmittag an völlig übernimmt.
Außerdem hängt er seine 20 Hemden selber auf, nachdem Frau Montfort sie in die
Waschmaschine gesteckt hat. Frau Montfort regelt die Hausarbeiten selbst oder
verteilt sie an drei bezahlte Hilfen: eine Babysitterin, eine Putzfrau und eine
Bügelfrau; sie bezahlt einen Stundenlohn von 20,- DM und gibt im Monat 1260,-
DM für die Hausarbeiterinnen aus. Sie fühlt sich ständig überlastet“ (ebd).
Einheimische
Frauen stehen für solche Arbeiten immer weniger zur Verfügung; dagegen finden
viele Migrantinnen lediglich in diesem informellen privaten Sektor eine
Arbeitsmöglichkeit. Maria Rerrich beschreibt die so entstehende Situation als
ein Aufeinandertreffen von „zwei strukturell bedingten Notlagen
unterschiedlicher Gruppen von Frauen“ (1993, 100).
Für
Rerrich ist die neue Dienstbotenfrage ausdrücklich keine Frauenfrage, sondern eine gesamtgesellschaftlich zu erörternde
Frage nach der unterschiedliche Bewertung von Berufsarbeit und
Versorgungsarbeit; sie plädiert für die ‘Repolitisierung des Privaten’
(1993,1997). Brigitte Young (1998) betrachtet dieses Phänomen als Ausdruck
eines internationalisierten, globalisierten Arbeitsmarktes, der durch Angebot
und Nachfrage reguliert wird.
Andere
Forscherinnen widersprechen dieser Auffassung nachdrücklich. Sie sprechen von Refeudalisierung
(Kurz-Scherf 1995,189), von der Entwicklung moderner Ausbeutungs- und
Gewalt-Verhältnisse, in denen sich keinerlei (Vertrags-)Gleichheit herausbilden
kann. Die Arbeitgeberin wählt sich ihre Angestellte und hat die
Vermittlungsagentur über ihre Wünsche unterrichtet. Die Vermittlungsagentur
verpflichtet sich, ‘etwas Passendes zu finden’, und da sie auf eine gute
Reputation angewiesen ist, verleiht sie der Arbeitgeberin ein ‘Rückgaberecht’.
Da in den meisten Fällen der Arbeitsvertrag, und damit auch das
Aufenthaltsrecht, begrenzt ist, stehen der Arbeitgeberin von vornherein mehr
Rechte zu als der Arbeitnehmerin. Die soziale Absicherung der Hausangestellten
ist minimal.
Während
Rerrich davon ausgeht, dass gerade die Unsichtbarkeit der Arbeit im
Privatbereich für viele illegal arbeitende Frauen von Vorteil sei, weil sie
Schutz vor Entdeckung biete (1997, 20), weisen Becker-Schmidt und Annie
Phizacklea (1998, 34) auf die Kehrseite dieser ‘Schutzzone’ hin: Besonders
in den Fällen, in denen Hausangestellte im Haushalt leben (die schon genannten live-ins),
ist der Raum selbstbestimmter Bewegungsfreiheit minimalisiert. Regina
Becker-Schmidt: „Was für die wohlhabenden weißen Frauen ‘zu Hause’ heißt,
bedeutet für deren Angestellte im Haushalt etwas ganz anderes, nämlich soziale
Fremde und Ort der Ausbeutung“ (1992, 221). Wenn sie es irgendwie ermöglichen
können, mieten die live-ins deshalb
gemeinsame Wohnungen an, in denen sie sich in ihrer freien Zeit treffen können,
und wo sie sich einen (Zufluchts)- Ort der sozialen Sicherheit und Vertrautheit
schaffen (siehe z.B. Campani 1993). Aus der jüngeren Berichterstattung wissen
wir, dass live-ins genau wie ihre Vorgängerinnen
um die Jahrhundertwende nicht selten sexuellen Belästigungen ihrer männlichen
Arbeitgeber ausgesetzt sind. Vergewaltigungen finden überall auf der Welt
vorrangig nicht etwa im öffentlichen Raum statt, sondern im Privatraum. Damals
wie heute ist es für die betreffenden Frauen beinah unmöglich, sich gegen
solche Praktiken zur Wehr zu setzen, da das Opfer beweispflichtig ist.
In
der europäischen Studie von Anderson und Phizacklea (1997) wird zudem darauf
hingewiesen, dass die betroffenen domestic
workers häufig über Gewalt klagen, die von ihren weiblichen
Arbeitgeberinnen ausgeübt wird: Die Skala reicht von Schikanen und ständiger
Kontrolle bei der Arbeit und anderer psychischer Gewalt bis zu physischer
Gewaltausübung. Es gibt allerdings auch Studien, die aufzeigen, dass domestic workers individuell Strategien entwickeln, um die
Benachteiligung im Abhängigkeitsverhältnis zu verringern: etwa indem sie die
Schuldgefühle ihrer Arbeitgeberinnen aktivieren und sich dabei materielle und
ideelle Vorteile verschaffen, oder moralische Verhandlungsspielräume nutzen und
damit auch interpersonelle Machtverhältnisse verändern (Özyegin 1996; Henkes
1995/8).
Zusammenfassend
kann festgestellt werden, dass die Geschlechterforschung, die sich sehr zögerlich
mit diesem Thema auseinandersetzt, die Bedeutung der binären Achse öffentlich/privat
als soziale Verortung von Männern in der Öffentlichkeit und Frauen im Privaten
überdenken muss. Privat und Öffentlich können nicht mehr als getrennte,
vergeschlechtlichte Räume adäquat analysiert werden, sondern sind als
Kontinuum und unter Berücksichtigung der ethnischen und klassenspezifischen
Aspekte zu betrachten. Es geht also nicht nur um die Repolitisierung des
Privaten, sondern um die Neu-Bestimmung von als privat und öffentlich
gekennzeichneten Aktionsräumen und Aktionsinstrumenten. In diesem Lichte
betrachtet scheint ,das Private als Arbeitsplatz‘ geradezu prädestiniert für
eine intersektionelle Analyse von sozialen Positionierungen und der Erfahrung
mit dem sozialen Raum, in der die Kategorien Klasse, Ethnizität und Gender
kombiniert werden.[7] Dieser Bereich gilt in der feministischen Forschung
noch als Tabuzone. Es fehlen empirische Untersuchungen über den Umfang und die
Art des Phänomens, die Sichtweise der Betroffenen; vor allem die Seite der
Anbieter (Agenturen) und der Abnehmer, Arbeitgeberinnen, ist ungenügend
erforscht. Als Forschungseinheit scheint mir nicht nur die von Saskia Sassen
vorgeschlagene Großstadt, die global city
(Sassen 1998), interessant, sondern auch die Analyse dieser Frage auf dem Lande.
Entsprechend
gilt für die Migrationsforschung, dass sie sich von dem neutralen - männlichen
Subjekt der Forschung verabschieden muss. Geschlecht als Determinante von
Migrationsbewegungen und -netzwerken wird kaum berücksichtigt. Um die
Migrationsforschung geht es im
folgenden Abschnitt.
4. Frauen als Pioniere globalisierter Wirtschaftsbeziehungen: eine neue Perspektive für die Migrationsforschung
Eine
Analyse der Globalisierung der Arbeitsmärkte am Anfang des 21. Jahrhunderts
macht deutlich, dass angesichts des breiten Angebots Arbeitgeber deutliche
Forderungen stellen können in Bezug auf Bildungsstand und Kompetenzen der
Bediensteten. So zeigt eine kanadische Studie, dass Agenturen, die
domestic helpers anwerben und vermitteln, Phillipininnen bevorzugen, die
bereits in Hongkong als Hausangestellte tätig waren und dort den gewünschten
‘Schliff’ erhielten, das heißt, ihre Englischkenntnisse verbesserten und in
die Geheimnisse der modernen Haushaltsführung eingeweiht wurden (Bakan-Stasiulis
1995). Von der hierarchischen Organisation des Weltmarktes profitieren die
westlichen Arbeitgeberinnen.
Die
Tatsache, dass heute Tausende von ost-europäischen Akademikerinnen in
west-europäischen Haushalten ‘dienen’, wird von Friese (1995) als Ergebnis
eines erneuten Entwertungsprozesses weiblicher Bildung gewertet. Die
Migrationsforschung spricht hier von brain-drain,
dem ‘Bildungsleerlauf’ der Herkunftsländer-, der sich in den Aufnahmeländern
in brain-waste,
‘Bildungsverschwendung’ verwandelt. Dass Ingenieurinnen, Ärztinnen oder
Rechtsanwältinnen, die in ihren Ländern vom Arbeitsmarkt vertrieben werden,
im Rückgriff auf ihre angeblich ‘natürlichen Fähigkeiten’ zwar zum Überleben
ihrer Familien beitragen, kann für
sie gleichzeitig zur sozialen Falle werden.
Allerdings
kann dieses Phänomen auch anders bewertet werden. Die Studie von Malgorzata
Irek (1998), die Anfang der 1990er Jahre die Rolle der polnischen Arbeiterinnen
für den informellen Berliner Arbeitsmarkt untersuchte und dabei Gespräche mit
dreihundert Putzfrauen führte, weist darauf hin, dass diese Frauen sich
keineswegs nur den schlechten Lebensbedingungen gebeugt haben, sondern dass sie
sich oft zu Privatunternehmerinnen entwickelten, die ihre eigenen hierarchischen
Netze aufbauten, ihre ‘Landsmänninnen’ ausbeuteten oder zurückgekehrt nach
Polen Unternehmerinnen wurden. Zu dem jüngsten polnischen Wirtschaftswunder
haben diese Frauen vermutlich einen unschätzbaren Beitrag geleistet. Sie sind
also keineswegs in dem Land geblieben, in dem sie in ihren eigenen Worten
‘Sklavenarbeiten’ verrichten mussten, Arbeiten, von denen die
Daheimgebliebenen nichts wissen durften. Sie haben diese Tätigkeit als eine
transformative, vorübergehende und als Hilfsmittel für ein Ziel betrachtet.
Nicht selten legitimierten sie ihre Tätigkeit auch damit, dass sie die Arbeit
in Polen unbezahlt für ihre Ehemänner verrichten müssten, während sie dafür
in Berlin bezahlt würden.
Einige
Forscherinnen betonen darum die Notwendigkeit, die betreffenden Frauen nicht als
passive Wesen, als Opfer oder als strukturgeleitete Marionetten zu begreifen,
sondern als agents of change. Sie
sind, so schreibt etwa Mirjana Morokvašic (1991, 1993), Pionierinnen, die
Grenzen überwinden und eine enorme Mobilitäts- und Risikobereitschaft haben,
die auf diese Weise Sende- und Aufnahmeländer verbinden und einen ‘new global
migration space’, einen globalen Migrationsraum kreieren. Sie tragen nicht
allein zum Unterhalt ihrer Familien bei, sondern auch zur Transnationalisierung
von Lebensstilen und zur Vervielfältigung von Konsum und Kommunikation.
Ninna
Nyberg Sørensen (1999) hat in ihrer Untersuchung über Hausangestellte aus der
Dominikanischen Republik in New York und Madrid einen solchen
transnationalisierten Lebensraum beschrieben. Diese Frauen spannen ein ökonomisches,
kommunikatives und mentales trans-atlantisches Netz zwischen ihrer Heimat, dem
‘gelobten Land’ USA und dem Ausweichquartier Spanien. Verschärfte
Grenzkontrollen und Zulassungsbeschränkungen führen nicht etwa zur Aufgabe von
individuellen und familialen Projekten, sondern zur Suche nach neuen
Zwischenquartieren und zur Erweiterung der Aktionsradien. In den krisengeschüttelten
Regionen der Erde ist der Begriff Planung
ein Fremdwort, sondern es geht eher um tägliches Überleben
- aber es gibt opportunities, irgendwo
anders. Ausgelöst durch einen spezifischen Bedarf in den industrialisierten Ländern
entsteht ein Arbeitsmarkt, der scheinbar einen Ausweg bietet für Frauen in
Osteuropa und der ‘Dritten Welt’, begrenzte finanzielle Ressourcen zu übersteigen.
Ich
vermute, dass die Tatsache, dass weibliche Sozialisation auch in einem Training
zur Flexibilität, zum Ertragen von Demütigungen und sozialem Abstieg besteht,
gerade Frauen die Entscheidung zur Wanderung zu erleichtern scheint. Die
Feminisierung der Migration vollzieht sich darum vorrangig im privaten
Dienstleistungssektor (siehe hierzu auch Hillmann, 1996; Phizacklea 1998).
Die
größere Reichweite der Bewegungen lässt sich aber nicht mit den herkömmlichen
Kategorien erfassen. Dies wird besonders deutlich, wenn es um die
‘transnationale Mutterschaft’ geht: Wie bereits gesagt, hinterlassen viele
der ‘neuen Dienstmädchen’ Kinder in der (bezahlten) Obhut von ‘Ersatzmüttern’
oder Großmüttern. Die Sorge um diese Kinder läßt sich nun keineswegs mit den
Mutterschaftsvorstellungen der westlichen Industrieländer analysieren, denn die
physische Nähe und Betreuung des Aufwachsens der eigenen Kinder ist schon
deshalb nicht gegeben, weil die Frauen ihre Kinder nicht mitnehmen können.
Rhacel Parennas (2001) bezeichnet die Mutterschaftsform, die im Falle langjähriger
Trennung entsteht als ‘commodified motherhood’ (Mutterschaft als
Handelsware): eine Verbindung zwischen Müttern und Kindern ist vor allem über
materielle Güter, finanzielle Hilfen und die Bezahlung einer guten (Schul-)
ausbildung gegeben. Die psychischen Folgen, etwa die persönliche Entfremdung
werden von den Betroffenen oft unterschätzt; andererseits wird im Rahmen von
nicht-westlichen Mutterschaftsvorstellungen eine ‘gute Mutter’ nicht nur an
ihrer direkten Involvierung, der Symbiose mit dem Kind gemessen, sondern diese
Funktionen kann sie an andere ‘soziale Mütter’ weitergeben. In der Tat
werden hier mentale und Konsum-relevante transnationale Räume geschaffen, wobei
allerdings die entsprechenden Sende- und Aufnahmestaaten daran interessiert
sind, nationale Bindungen aufrechtzuerhalten - zum einen über die
aufenthaltsrechlichen Bestimmungen, zum anderen über Belohnungssysteme: In den
Philippinen werden jährlich die besten ‘Dienstmädchen’ mit nationalen
Orden (empfangen aus der Hand des Präsidenten) ausgezeichnet und als
‘Soldaten der Nation’ in die weite Welt geschickt. Derartige symbolische
Handlungen sollen wohl auch zur Aufrechterhaltung der Loyalität der betroffenen
Frauen dienen.
Die
Forschungsfragen, die sich hier anschließen, liegen auf der Hand. Was bewegt
gut ausgebildete Frauen dazu, Ehemann, Kinder, Familienangehörige zu verlassen
und sich in der Fremde zu verdingen? Wie halten sie die Kommunikation aufrecht,
wie gestaltet sich ihre Sorge und Mutterschaft aus der Ferne? Ist es wirklich
so, wie Saskia Sassen behauptet (1998,208), dass sich die Geschlechterrollen
umkehren? Welche kulturellen Transferleistungen sind mit ihren
Migrationsprojekten verbunden? Werden diese Frauen zu ‘Mittlerinnen’? Welche
rechtlichen Lösungen gibt es in der Frage der Staatsbürgerschaftsrechte und
der Transnationalität?
5. Die
Fallstricke der ,Global Care Chain‘
Zusammenfassend
ist festzustellen, dass die Antwort auf die Frage, warum sich zur Zeit des
heutigen informations-technologischen Umbruchs ein umfangreicher informeller
Arbeitsmarkt etabliert, nur vorläufig sein kann. Umfassende Forschungen, die
die Beantwortung dieser Frage ermöglichen, fehlen noch. Ich will hier jedoch
abschließend eine Reihe von Überlegungen Thesen-artig vorstellen.
I.
Globale
soziale Ungleichheiten verschwinden nicht, sondern strukturieren sich neu und
gender-spezifisch.
Trotz
aller Programme zur Armutsbekämpfung in ökonomisch schwachen Regionen der
Welt, hat sich das ökonomische Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Ländern
nicht grundsätzlich verändert; im Gegenteil: seit dem Zusammenbruch des
politischen Systems der ehemaligen Ostblockländer sind neue Verarmungsprozesse
zu konstatieren. Allerdings wird in Zuge der Globalisierung auch die Kluft
zwischen arm und reich innerhalb von
Nationalstaaten größer. Zu dem klassischen Export von Rohstoffen ist ein neuer
hinzugekommen: der Rohstoff care-work
, der mehrheitlich von Frauen angeboten wird. In den Philippinen und Malaysia,
aber auch in vielen Südamerikanischen Staaten wird dieser Rohstoff mittlerweile auch von staatlicher Seite als solcher
betrachtet, ohne dass dabei jedoch staatliche Steuerungsmechanismen(wie etwa
Anwerbeverträge) in Kraft träten. Die Vermittlung wird über private Agenturen
abgewickelt. Der mit der Abwanderung einhergehende ‘brain-drain’ scheint für
die involvierten Nationen bislang noch kein Problem von größerem Umfang zu
sein, sondern dient der Entlastung des Arbeitsmarktes (siehe Bakan &
Stasiulis, 1995; Chin, 1999; Chang, 2000; Anderson,
2000; Parennas, 2001)..
II.
Der
Rückgriff auf Migrantinnen reaktiviert das Modell der ‘alten Gastarbeit’.
Besonders
für die Nachfrageseite, für die westlichen Industrieländer, ist die Lösung
der gekauften Versorgungsarbeit aus mehreren Gründen attraktiv: nach dem
Vorbild der alten ‘Gastarbeit’ werden gut ausgebildete Arbeitskräfte aus
dem Ausland ‘gekauft’; der Staat muss nicht investieren und interveniert so
wenig wie möglich; schließlich gilt der Privatraum bis zu einem gewissen Grade
als Tabuzone, in die nicht eingegriffen werden sollte.
Diese
Lösung entlastet die Staatskassen in Bezug auf die Bereitstellung von
Versorgungseinrichtungen für Autochthone - Kinder und Pflegebedürftige und
in Bezug auf Ausbildung, Kranken- und Altersabsicherung der betroffenen
‘importierten’ Beschäftigten.
III.
Die
Ansiedlung der Tätigkeit im Privatbereich fördert den klandestinen Charakter
und schützt vor Sichtbarkeit.
Für
die betroffenen Arbeitgeberinnen erscheint die private Dienst- und Kindermädchenlösung
aus vielen Gründen ideal; weil sie die Trennung von Privatbereich und Öffentlichkeit
in Takt hält: Kinder können zu Hause betreut werden, ohne dass der Privatraum
offiziell zum Arbeitsraum erklärt werden muss; weil sie schnell und flexibel
organisiert werden kann; weil sie langwierige und heftige Auseinandersetzungen
über die Verteilung von Hausarbeit mit Partnern vermeiden hilft und damit zur
Verbesserung des Familienklimas beiträgt; weil Hausarbeit ein Billigprodukt ist
und die Kosten dafür gerade für Doppelverdiener und gut verdienende
Mittelschichtsangehörige leichter bezahlt werden können als professionelle
Kinder- und Altenbetreuung. Das Wohlstandsgefälles zwischen den Herkunftsländern
der Dienst- und Kindermädchen und den Anwerbeländern kann dazu führen, dass
die Arbeitgeberinnen das Gefühl entwickeln, den betreffenden Frauen zu
‘helfen’ und damit so etwas wie private Emanzipations- und Entwicklungshilfe
leisten (siehe die Dokumentation: De keten van liefde).
IV.
Jede
Migration entwickelt ihre eigene Dynamik, die wiederum von den Betroffenen
lebensgeschichtlich integriert werden muss.
Die
betroffenen Migrantinnen zeichnen
sich durch hohe Risikofreude aus, die allerdings auch zu großen Enttäuschungen
führen kann. Wie viele Migrant/inn/en verdrängen sie Antizipationen von
Gefahren und Problemen zugunsten der erwarteten positiven Resultate und
vertrauen auf ihre Problemlösungskapazitäten: sie hoffen, auch unter
heteronomen Bedingungen noch handlungsfähig zu sein. Außer (aufenthalts)rechtlichen
und Sprachproblemen stellt die stark individualisierte Arbeit wohl ein großes
Konfliktfeld dar (siehe Anderson & Phizacklea, 1998). Kollektive Aktionen
werden von den Betroffenen vermutlich kaum initiiert werden, zum einen, weil
diese Tätigkeit eine feste Freizeitplanung oft erschwert und zum anderen, weil
diese Arbeit als vorübergehende
betrachtet wird. Soweit bislang bekannt ist, streben die meisten Betroffenen
einen eigenen Wohnplatz an (live-out) und vermeiden lieber das Mit-Wohnen
am Arbeitsplatz (live-in), um die starke persönliche Abhängigkeit zu
vermeiden.
Viele
möchten die Migration beenden, sobald ein Sparziel erreicht ist, oder aber ein
(neuer) Partner gefunden und ein neues Leben begonnen werden kann. Jedoch
entwickeln sich im Laufe der Zeit finanzielle Abhängigkeiten und Konsumwünsche
in der Herkunftsfamilie und -region, die immer wieder zur Verlängerung der
Aufenthalte führen. Auch entstehen dort, wo Kinder betreut werden, emotionelle
Beziehungen, die nicht einfach abzubrechen sind (siehe Parennas, 2001). Für die
Herkunftsfamilien haben die Frauen oft Brotverdiener-Status; es ist jedoch
fraglich, ob die damit verbundene Statuserhöhung zu einem Identitätsfaktor
wird. Da die Altersversorgung für viele dieser Frauen nicht geregelt ist, kann
vermutet werden, dass langfristig neue Abhängigkeiten entstehen, dann zum
Beispiel von den Einkünften der Töchter, deren Ausbildung zwar von den Müttern
bezahlt wurde, die jedoch ihre Mütter wegen der langen Abwesenheitsperioden
kaum kennen gelernt haben. Solange die Ansiedlung im Zielland nicht möglich
ist, bleiben die Zukunftsoptionen auf das Heimatland beschränkt (Parennas,
2001).
Wie
diese Zukunft sich gestaltet, ist eine weitgehend offene Frage. Die in der
Studie von Irek beschriebene erfolgreiche
Rückkehr und die Gründung eigener Unternehmen ist genauso wahrscheinlich, wie
eine Verarmung nach der Rückkehr durch Krankheit oder andere Umstände.
Sicher
ist heute, dass die ‘global care chain’ eine Tatsache ist und wohl auch
nicht mehr aufzuhalten sein wird. Für die damit verbundenen Probleme gibt es
keine schnellen Lösungen und Antworten. Allerdings scheint es notwendig, dass
das Thema de-tabuisiert und öffentlich diskutiert wird - besonders im Rahmen der Sozialwissenschaften und der Gender-Studien.
V.
Mit
einer Green-Card-Lösung würden neue Wege beschritten, die auch der Anerkennung
der Haus-, Versorgungs- und Pflegearbeit zugute kämen.
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* Es
handelt sich um den gleichnamigen Beitrag von Helma Lutz, der im Herbst 2001 bei
Leske und Budrich erscheint in:
[1]1.Ich danke Karin Gottschall und Jeannette Stiller für Hilfe und Kommentare bei der Erstellung dieses Artikels.
[2]2. Repräsentanten der katholischen Kirche erweisen sich hier als zentrale Agenten weltweit operierender Unternehmen, siehe dazu Andall 1998.
[3]3.Allerdings hat es in Groß-Britannien Versuche gegeben, Interessenverbände ins Leben zu rufen. Am 30. und 31. Oktober 1999 hat in London erstmals ein europäisches Treffen stattgefunden, bei dem auch eine ‘Charter of Rights for Domestic Workers’ verabschiedet wurde (siehe www.solidar.org).
[4]4.Die regelrechte Massenauswanderung von Professionellen, Krankenschwestern und Ärzten begann Anfang der 60er Jahre u.a. in der BRD, wo seit dem Anwerbestopp 1973 Philippininnen lagal nur noch als Au-Pairs oder als Katalog-Bräute (mail-order-brides) einreisen (Ausnahme: die domestic helpers des amerikanischen Militärs bis ca. 1993). Mittlerweile ist die ‘Handelsware Dienstmädchen’ das wichtigste Exportprodukt der Philippinen: von den ca. 8 Millionen Philippin/inn/en im Ausland sind 70% Frauen, die wiederum jährlich für 8 Milliarden US Dollar Auslandsdeviseneinkünfte sorgen. Diese Zahlen werden von einem philippinischen Arbeitsökonomen genannt, der in dem Dokumentationsfilm ‘De keten van liefde’ (chain of love) zu Wort kommt, der am 26.11.2000 im Niederländischen Fernsehen (NL3) gesendet wurde. Ähnliche Zahlen, allerdings etwas niedriger, finden sich bei Wichterich 1998: 94-98. Ähnlich sind die Verhältnisse auch in Malaysia, siehe die Studie von Chin 1999.
[5]5. Allerdings gab es den Einsatz von ca. 500.000 Ostarbeiterinnen als Dienst- und Kindermädchen im deutschen Faschismus. Diese ‘Zwangsarbeit im Kinderzimmer’ ist kaum erforscht und wird bezeichnenderweise aus der aktuellen Rückzahlungsdebatte für Zwangsarbeiter vollständig ausgeblendet. In einem Artikel, der am 24.8.2000 in der Frankfurter Rundschau erschien, vermutet Ulrike Winkler, „dass die Verhandlungsführer auf Seiten der Industrie, Politik und Opferverbände Reproduktionsarbeit nicht als bezahlenswerte, weil keinen Profit bringende und nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kriegswirtschaft Deutschlands stehende Tätigkeit bewerten.“ (ebd.: 9). Es gibt bislang nur eine Arbeit (Mendel 1994), die Zeitzeuginnen aufgespürt hat und diese Frauen, die zum damaligen Zeitpunkt oft noch Kinder waren, befragt hat. Sporadisch gibt es im Übrigen auch Hinweise auf die Tatsache, dass deutsche Kindermädchen, jüdische Kinder als ihre eigenen ausgegeben und vor der Deportation gerettet haben (siehe das Interview mit Charlotte Knobloch, der zweiten Kandidatin für den Vorsitz des Zentralrats deutscher Juden (Die Zeit, 52, 1999)).
[6]6. Sicherlich muss betont werden, dass die Frage der steigenden Berufstätigkeit von Frauen und die damit einhergehende Reorganisation des Haushalts, die in vielen europäischen Ländern zu verzeichnen ist, je nach dem Arrangement des nationalen Versorgungsstaates unterschiedlich bewältigt wird. Allerdings scheint die anteilmäßige Übernahme von Haushalts- und Erziehungsarbeit durch Männer in keinem Land verwirklicht zu sein (siehe dazu Duncan & Pfau-Effinger, 2000).
[7]7. In ihrer Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Konzepten zum Thema Geschlecht und Arbeit weist Karin Gottschall (2000, 240)bereits darauf hin, dass bei der Analyse sozialer Ungleichheiten neben den Faktoren Geschlecht und Klasse auch Ethnizität einbezogen werden sollte. In Deutschland fehlen allerdings bislang entsprechende Untersuchungen.