Die heutige westliche "Arbeitsgesellschaft" ist im wesentlichen immer noch so strukturiert, dass von einem "Normalarbeitsverhältnis" ausgegangen wird, in dessen Rahmen Männer in der Erwerbsarbeit arbeiten, wähend der Arbeitsbereich der Frauen in Familie und im sozialen Ehrenamt verortet ist, allenfalls ergänzt durch einen weiblichen "Zuverdienst". Diesem Arbeitsverständnis liegt die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nach dem Vorbild der bürgerlichen Kleinfamilie zugrunde, nach der sich auch die Arbeitsmänner der unteren Schichten drängten, obwohl sie für Arbeiterhaushalte nie wirklich funktioniert hat. Die (Wieder)herstellung dieser traditionellen "Vollbeschäftigung", ist - wenn sie überhaupt möglich wäre - aus feministischer Sicht gar nicht wünschenswert.
Es ist vor allem der verengte Arbeitsbegriff und die als unabänderlich hingenommene, nach Geschlechtern strukturierte Welt, die zu "Zukunftsmodellen" führt, die von einem besseren "Arbeitslosenmanagement" der Frauen ausgehen, die soziale und geschlechterspezifische Ungleichheit fortschreiben, neue Unterschichtungen festschreiben und zu Modellen für das "gute Leben" stilisieren (vgl. u. a. Kommission für Zukunftsfragen 1997, Beck 1997, Rifkin 1995, Giarini/Liedtke 1998). Aktuell gehen auch die 13 Innovationsmodule der Hartz-Kommission von diesem antiquierten Arbeitsbegriff und dem dazugehörigen Familienmodell aus (Hartz 2000). (Nicht nur) die im Kapitel Familien-AG angepriesene Konstruktion ist geeignet, die bürgerliche Kleinfamilie mit sozial- und ökonomisch nicht abgesicherten mithelfenden Familienangehörigen neu zu beleben. Auch die Mini-Jobberin kann von ihren höchstens 400 € nicht leben, ihr wird ebenso wie der Midi-Jobberin (höchstens 800 €) ledglich ein Zuverdienst unterstellt. Dass nach dem Konzept nicht mehr wie in der ursprünglich vorgesehenen Fassung Familienväter bevorzugt vermittelt werden sollen, sondern Arbeitslose, die besondere Verantwortung für abhänigige, betreungsbedürftige Personen oder Familienangehörige tragen, ist nicht mehr als eine sprachliche Korrektur.
Die Frage danach, wie es den Menschen geht, die von einem dem bezahlten - Arbeitsbereich ausgeschlossen sind, verschwindet hinter der Missbrauchs-Diskussion. Für Frauen wird sie hinter dem Mütterdiskurs versteckt. Dieser suggeriert, dass angesichts der immer kälter werdenden Welt Frauen notwendig in der Familie gebraucht würden, obwohl Untersuchungen immer wieder beweisen, dass Kinder berufstätiger Mütter mindestens ebenso gute, wenn nicht bessere Entwicklungsmöglichkeiten vorfinden, wie Kinder, deren Mütter ausschließlich für die Familie leben. Andererseits hat der Kampf der Frauen um das Recht auf Erwerb nicht wirklich zu einer Verbesserung der Lage der Frauen im Alltagsleben geführt. Heute verfügen mehr Frauen über eigenes Einkommen, als jemals in der Geschichte. Auch wenn wir wissen, dass Männer und Frauen keine klar gegeneinander abgegrenzten, in sich homogenen Bevölkerungsgruppen sind, ist es nach wie vor die binäre Strukturierung von Öffentlichkeit und Privatheit, die die alltägliche Praxis der Arbeitsverteilung bestimmt.
In der Einladung zu dieser Tagung (Arbeitskrise Krisenarbeit: Wie weiter
mit dem Arbeitsmarkt?) wird gefragt, ob es nicht dringend an der Zeit sei, unseren
Begriff von Arbeit grundsätzlich zu hinterfragen und auf eine neue (Werte-)Basis
zu stellen. Dieses Hinterfragen kann sich nicht auf die Arbeit im Produktionsbereich
beschränken. Sie muss von einem umfassenden Arbeitsbegriff ausgehen, der
(jetzt) bezahlt und (jetzt) unbezahlt geleistete Arbeit einschließt. Ein
solcher Arbeitsbegriff ist in den Überlegungen zur Arbeitsmarktpolitik
nicht zu erkennen. Er wird aber dringend notwendig, wenn die gesellschaftlich
notwendige Arbeit gerechter und gleichberechtigter verteilt werden soll. Mit
meinem Beitrag will ich dazu anregen, einen erweiterten Arbeitsbegriff, wie
er in der soziologischen Frauenforschung bereits weitgehend benutzt wird, auch
zum Gegenstand von Arbeitsmarktforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik
zu machen. Ich versuche dabei, Abgrenzungen zu einem "inflationären"
Arbeitsbegriff vorzunehmen, mit dem undifferenziert behauptet wird, alles, was
Menschen in ihrer wachen Zeit tun, sei Arbeit. Und ich werde auch aufzeigen,
dass eine bloße Erweiterung des Arbeitsbegriffs nicht ausreicht, sondern
dass strukturelle Veränderungen in allen Bereichen menschlicher Arbeit
unabdingbar sind.
Industrie- und arbeitssoziologische Theorien zur Erklärung von menschlicher
Arbeit - außerhalb der Frauenforschung - beziehen sich bis heute meist
auf die Arbeit, die der (männliche) Lohnarbeiter in Industrie und Verwaltung
leistet. Untersuchungsobjekte, -subjekte, Beschäftigte oder Arbeitspersonen,
Betroffene oder Akteure sind scheinbar "geschlechtsneutral", egal
ob in der Schwerindustrie, in der kleinen Fabrik, im Kaufhaus oder Krankenhaus
gearbeitet wird. Das gilt selbst dann, wenn Zukunftsmodelle entwickelt
werden. Beispiele sind Bürgerarbeit, Bürgerschaftliches
Engagement oder eben die 13 Innovationsmodule der Hartz-Kommission (Hartz
u. a. 2000). Das gilt z. B. auch, wenn von Schwarzarbeitern die Rede ist, die
zu Mini-Job-Inhabern werden (Ebd., S. 170), gemeint sind jedoch Putzfrauen,
Dienstbotinnen und Kinderfrauen.
Der "Restbereich", die Arbeit, die für die sog. Reproduktion
der menschlichen Arbeitskraft notwendig ist, bleibt in den meisten Veröffentlichungen
zur Arbeit der Zukunft weiterhin privat, unbezahlt, angeblich unbezahlbar, jedenfalls
unsichtbar. Frauen, die außerhalb bezahlter Lohnarbeit Arbeiten verrichten,
wurden nie zu denjenigen gezählt, die gesellschaftliche Arbeit leisten,
so zeigt es auch ein Blick in die Geschichte der Frauenarbeit (Notz 1986, S.
139 ff.). Freilich ist die Festschreibung der Positionierung der Frauen in Küchen
und Kinderzimmern nicht ohne ihr Zutun zu begreifen (vgl. Haug 1999). Und die
bloße Behauptung, die Hausarbeit sei ebenso produktive Arbeit, die in
Verbindung mit der in den großen Fabriken geleisteten Arbeit für
die Vergrößerung des Mehrwerts sorge, ändert (noch) nichts an
den geschlechterhierarchischen Zuschreibungen.
Das Beharren auf einem Verständnis von Arbeit als Produktionsarbeit stützt sich nicht zuletzt auf die Marxsche Darstellung im ersten Band des Kapital (MEW, Bd. 23). Danach bildet der Arbeitsprozess die allgemeine Grundlage des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur. Arbeit dient (unter kapitalistischen Bedingungen) ausschließlich der Herstellung von Gebrauchswerten und Tauschwerten. Sie basiert auf dem Zusammenwirken vieler lohnarbeitender Individuen. Durch die Gesamtheit verschiedener Arbeitstätigkeiten werden dieser Theorie zufolge die materiellen Grundlagen des Lebens geschaffen.
Arbeit ist nach Marx eine auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtete planmäßige Tätigkeit, für die geistige und körperliche Kräfte eingesetzt werden. Sie ist auf die Erzeugung eines gesellschaftlichen Produktes gerichtet und somit Mittel zur Befriedigung menschlicher Lebensbedürfnisse. Die zur menschlichen Reproduktion notwendige unbezahlte Arbeit findet nach Marx außerhalb der Erwerbsarbeit statt und gehört nicht zur Lohnarbeit, ist also Nicht-Lohnarbeit und daher keine Arbeit. Sie ist - der Marxschen Theorie zufolge - "zweckfreie Tätigkeit". Dass "zweckfreie Tätigkeiten" oder "Arbeit ohne Zwangscharakter", wie Marx sie auch nennt, "verdammter Ernst", also harte Arbeit sein kann, wird auch von ihm gesehen. Allerdings versteht er darunter offenbar eher künstlerische Tätigkeiten als Hausarbeit, wie aus folgendem Zitat deutlich wird: "Wirklich freies Arbeiten, z. B. Komponieren, ist gerade zugleich verdammter Ernst, intensivste Anstrengung" (Marx 1857/58, Berlin 1953, S.505).
Innerhalb der soziologischen Frauenforschung hatte sich - ausgehend von einem globalen Konsens in der Ablehnung von Frauenunterdrückung und Frauenausbeutung - bereits in den 70er Jahren die Erkenntnis der Notwendigkeit der Erarbeitung einer "feministischen Gesellschaftstheorie" durchgesetzt, der ein erweiterter Arbeitsbegriff zu Grunde gelegt wurde.
Die marxistische Gesellschaftstheorie bot zwar den Raum für eine Theorie der Frauenbefreiung, aber eine unkritische Übernahme der marxistischen Konzepte und Thesen würde unweigerlich zu Schwierigkeiten führen. Dies deshalb, weil diese - ebenso wie die Begrifflichkeit der Kritik der Politischen Ökonomie - lediglich zur Analyse der Funktionsweise des Kapitalismus entworfen worden waren. Der Begriff der "produktiven Arbeit", so wie er im Kapital verwendet wird, erfasst den größten Teil der überwiegend durch Frauen geleisteten Arbeiten nicht. Marx entwickelt im Kapital die Elemente des Arbeitsprozesses und den Gedanken der Mehrarbeit. Diese wird bezogen auf das produktive Vermögen der Arbeit und auf die unabdingbare Arbeitsmenge, die zur Reproduktion der Arbeitsfähigkeit nötig ist. Die Reproduktion selbst bleibt wiederum als Arbeit unberücksichtigt.
Die Frage, ob Hausarbeit produktiv sei, ob sie als unproduktive, aber "notwendige Arbeit" zu fassen sei, wird bis heute diskutiert. Claudia von Werlhof hat 1978 bereits in der ersten Ausgabe der beiträge zur feministischen theorie und praxis darauf hingewiesen, dass ohne die Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen und Frauenausbeutung eine Charakterisierung und Typisierung der Logik der verschiedenen Produktionsweisen in der Geschichte nicht möglich ist. Denn damit bleibt auch die ökonomische Ausbeutung in der "Privatsphäre" weitgehend unkommentiert und dies nicht nur deshalb, weil der (meist) männliche Ökonom sich nicht für das Thema interessiert, sondern auch, weil die ökonomische Begriffswelt bereits den Blick verstellt. Sie verwies auf die Allianz zwischen Kapital, den abhängig arbeitenden Männern und dem Staat, die alle ein Interesse daran hätten, die Haus(frauen)arbeit unsichtbar zu machen, nicht zu bewerten und nicht zu bezahlen, um insgesamt die Arbeit der Frauen (auch die bezahlte Erwerbsarbeit) abzuwerten und ihre Löhne niedriger als die der Männer zu halten.
Sie stellte die Analyse der Hausarbeit als "Nicht-Lohnarbeit", die typischerweise durch Frauen geleistet wird, in den Gegensatz zur Lohnarbeit, die typischerweise durch Männer geleistet wird, und verwies gleichzeitig darauf, dass eine Lohnarbeiterin zugleich auch immer "Nichtlohnarbeiterin" ist. Der Form der Ausbeutung über mehrwertproduzierende Lohnarbeit stellte sie die Ausbeutungsform über Nicht-Lohnarbeit (vor allem Hausfrauenarbeit hier und in der "Dritten Welt") gegenüber ( vgl. Werlhof 1978, S. 25).
Die Marxistin Christel Neusüß weist mit ihrer Marx-Kritik auf die Notwendigkeit der Einbeziehung des Privaten in das Politische hin. Denn Reproduktionstätigkeiten erscheinen zur Schaffung einer Privatspäre geeignet, deren Existenz und Gestaltung (scheinbar) im Belieben eines jeden Einzelnen (bzw. einer jeden Einzelnen) steht. Neusüß nimmt das Problem der Zuordnung dieser Tätigkeiten zum Bereich der Nichtarbeit, also zur "Freizeit" auf: "Freie Zeit, Reich der Freiheit, der freien Entwicklung - im Unterschied zur Arbeit, dem Reich der Notwendigkeit, der unfreien Tätigkeit" (1985, S. 136), das würde für Männer etwas grundsätzlich anderes bedeuten, als für Frauen. Für den Arbeitsmann solle sich das "freie Schöpfertum" in der arbeitsfreien Zeit entfalten. Neusüß arbeitete heraus, dass das für die Arbeitsfrau oder auch die Frau des Arbeiters nicht zutrifft. Sie wandte sich gegen einen marxistischen Arbeitsbegriff, nach dem es nach der produktiven Arbeit in der Fabrik nichts mehr zu tun gäbe und verwies auf die vielfältigen häuslichen und familialen Tätigkeiten, die der "Mann Marx" außer acht gelassen habe (vgl. Neusüß 1983).
Maria Mies geht in ihren Analysen so weit, dass sie behauptet, dass es gerade die Konzentration des herrschenden Arbeitsbegriffes auf das "Reich der Notwendigkeit" sei, die Tatsache, dass Arbeit als notwendige Last per se betrachtet würde, die so weit wie möglich durch Technik und Maschinen zu reduzieren sei, die eine "neue, ökologische und feministische Gesellschaft" verhindere (1988, S. 206 f.). Die Verbannung von Aktivitäten, wie "Freiheit, menschliches Glück, die Verwirklichung unserer schöpferischen Fähigkeiten, Freude an der Natur, am Spiel von Kindern ..." (S. 206) ins Reich der Nichtarbeit macht sie dafür verantwortlich, dass der Auszug der Menschen aus dem "Technopatriarchat" verhindert würde. Sie verweist auf die Kehrseite des durch die Verringerung der notwendigen Arbeit möglich gewordenen Paradieses, "nämlich die Hölle" (S. 207), in der Frauen unter zwangsarbeitsähnlichen Bedingungen arbeiten. Für sie erscheint es notwendig, Arbeit als Last und Lust wieder in eins zu setzen, einen Arbeitsbegriff zu verwenden, durch den es möglich wird, Haus- und andere Nicht-Lohnarbeit einzubeziehen. Sie schließt damit an Mitte der 80er Jahre angedachte Konsequenzen an, die darauf abhoben, dass Frauen aus der Geldwirtschaft aussteigen und in die Subsistenzwirtschaft als "regionale Selbstversorgungswirtschaft" einsteigen sollten. Vielfältige andere Konzepte, wie gemeinwesenorientierte Wirtschaft (Möller u. a. 1997) etc. gehen ebenfalls in diese Richtung.
Ein Zurück zu reiner Subsistenzarbeit ist sicherlich aus vielfältigen Gründen nicht möglich. Die Industrialisierung lässt sich in den Industrieländern nicht ohne weiteres zurückschrauben und sie macht auch vor der "Dritten Welt" nicht halt. Aus international vergleichenden Untersuchungen wird die Verflechtung von Subsistenz- und Warenproduktion vor allem auch im Hinblick auf die generative Reproduktion und Verwertung von Arbeitskraft deutlich (Schiel/Stauth 1981). Vermehrte Ausbeutung (nicht nur) von Frauen in der "Dritten Welt", wäre zudem die Folge (vgl. Wichterich 1988). Die Analysen des von Maria Mies vertretenen "Bielefelder Ansatzes" (Werlhof/ Mies/ Bennhold-Thomsen 1983) sind in der Frauenforschung vielfältig aufgenommen worden. Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, ist in der Forschung über Frauenleben und -arbeit jedoch strittig (vgl. z.B. Lenz/ Rott 1984, Lenz 1988).
Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist, dass sowohl im Bereich der (jetzt) bezahlt geleisteten Arbeiten, als auch im Bereich der (jetzt) unbezahlt geleisteten Arbeiten gesellschaftlich notwendige und nützliche Tätigkeiten verrichtet werden und auch in beiden Bereichen Tätigkeiten, die diesen Kriterien nicht entsprechen. Soll (zunächst) die Trennung zwischen Produktions- und Reproduktionsarbeit beibehalten werden, so wäre unter "Produktionsarbeit" die instrumentell gebundene, zielgerichtete, gesellschaftlich nützliche Tätigkeit in Produktion und Dienstleistung zu verstehen. Tätigkeiten jenseits der Lohnarbeit (oder einer anderen das Einkommen sicherstellenden Erwerbsarbeit), die zur Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft und des menschlichen Lebens notwendig sind, wären dann "Reproduktionsarbeiten".
Der Reproduktionsbereich bezeichnet jedoch nach dieser Definition kein "Reich der Freiheit", das dem "Reich der Notwendigkeit entgegengesetzt ist. Die Arbeiten, die dort geleistet werden, sind vielfältig strukturiert und stets komplementär zum Produktionsprozess. Durch die Abkoppelung von der unmittelbaren Einflussnahme des kapitalistischen Verwertungsprozesses werden dort Zeitstrukturen, Arbeitsformen und psychisch-emotionale Beziehungsweisen möglich, ohne die die Lebens- und Arbeitsfähigkeit der Individuen nicht erhalten und erzeugt werden könnten (vgl. Negt/ Kluge 1972). Produktions- wie Reproduktionsarbeiten können sowohl mit Mühsal verbunden sein, wie auch Befriedigung, Lust und Selbstbestätigung verschaffen.
Ein "erweiterter" Arbeitsbegriff umfasst alle Formen von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit. Er schließt auch jene Aktivitäten ein, die Hannah Arendt in "arbeiten", "herstellen" und "handeln" unterteilt, also die Aktivitäten zur Sicherung der Gattung und des Am-Leben-Bleibens, die Produktion einer künstlichen Welt von Dingen, "die unserem flüchtigen Dasein Bestand und Dauer entgegenhält" (=herstellen), und das Handeln, das "der Gründung und Erhaltung politischer Gemeinwesen dient" (Arendt 1981, S. 15). Jede Aktivität greift gestaltend und kulturbildend in unsere Verhältnisse ein, zwar nicht jede mit gleichem Gewicht, aber keine ohne Bedeutung.
Arbeit ist danach sowohl bezahlte Erwerbsarbeit die wiederum zu unterteilen ist in ungeschützte Erwerbsarbeit, Teilzeitarbeit, tariflich abgesicherte Arbeit und selbständige Arbeit, als auch Haus- und Sorgearbeit, Erziehungsarbeit, Pflegearbeit für Alte, Kranke und Behinderte, unbezahlte Konsumarbeit, Subsistenzarbeiten, ehrenamtliche politische und kulturelle Arbeit, Bürgerschaftliches Engagement, freiwillige unbezahlte soziale Arbeit, unbezahlte Arbeit in Selbsthilfegruppen (vgl. Notz 1989, S. 39 f.). Ein Arbeitsbegriff der sich auf die Analyse des gesamten Spektrums von Arbeit bezieht, unabhängig von der Entlohnung, muss allerdings auch von verschiedenen Arbeitsorten ausgehen: Neben Industriebetrieben, kleinen und mittleren Unternehmungen, Verwaltungen und Projekten und Betrieben aus der Alternativökonomie sind das Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitsbereich, Wohlfahrtsorganisationen, Vereine und Verbände, die bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Arbeit organisieren, Projekte der sozialen Bewegungen und freilich auch Familien oder andere Wohn- und Lebensgemeinschaften, in denen Haus- und Sorgearbeit organisiert wird. Ein solcher Arbeitsbegriff erfordert einen erweiterten Begriff von Wirtschaften, der Erwerbs-, Gemeinwesen-, Versorgungs-, Subsistenz- und Haushaltsökonomie einschließt und gleichgewichtig betrachtet. Es geht also nicht nur um einen neuen Arbeitsbegriff, sondern um einen Begriff von Wirtschaft, der alle ökonomischen Bereiche beinhaltet, den Zusammenhang zwischen Reproduktion und Produktion herstellt sowie die Trennung zwischen ökonomischen und (scheinbar) außerökonomischen Bereichen überwindet. Die bestehenden Geschlechterverhältnisse sind so strukturiert, dass die in der Familie und anderen Lebensformen sowie sozialen Organisationen geleistete unbezahlte Arbeit Marktaktivitäten überhaupt erst möglich machen. Andererseits sind die bezahlt geleisteten Marktaktivitäten Voraussetzung für die angebliche Unbezahlbarkeit der Haus-, Sorge- und Fürsorgearbeiten. Wesentliche wirtschaftliche Zusammenhänge können daher nicht verstanden werden, wenn der Blick nicht auf die gesamte Ökonomie und die Arbeit als Ganzes gerichtet wird und wenn die unterschiedlichen Arbeits- und Lebenssituationen von Frauen und Männern in den verschiedenen Bereichen nicht in Betracht gezogen werden. Auch die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit findet nicht nur im Inneren der Fabrik statt.
Die beiden Hauptkategorien (Produktions- und Reproduktionsarbeiten) lassen sich nur analytisch trennen. Geht man bei der Definition von Produktionsarbeit alleine von der Tätigkeit des Produzierens aus, so müssten auch viele Arbeiten außerhalb der Lohnarbeit dazugezählt werden, weil auch dort produziert wird. Faktisch müssen Hausarbeitsverhältnisse den Produktionsverhältnissen zugerechnet werden, wenn sie von Putzfrauen, Hausangestellten oder Kinderfrauen gegen Entgelt geleistet werden. Auch leisten "reine Hausarbeiterinnen" Arbeiten, die zu den Produktionsarbeiten gehören; nämlich dann, wenn sie z. B. stundenweise unterbezahlte Aushilfsarbeiten verrichten oder selbstgefertigte Produkte gegen Entgelt veräußern.1 Vielleicht erscheint die Unterscheidung zwischen bezahlt und unbezahlt geleisteten Arbeiten ertragreicher, aber auch dann bleibt z. B. bedingt durch vielfältige geringfügige Beschäftigungen, sog. ehrenamtliche Tätigkeiten mit kleinen Aufwandsentschädigungen usw. - ein Grenzbereich.
An der Tatsache, dass die Zuordnungen zu den verschiedenen Arbeitsverhältnissen sowie die Trennung von unbezahlter und bezahlter Arbeit auch die geschlechtshierarchischen Beziehungen zwischen Männern und Frauen bestimmen, ändern diese Verwischungen nichts. Sieht man von einigen Hausmännern ab, sind in den Hausarbeitsverhältnissen ausschließlich Frauen zu finden. Frauen, die Erwerbsarbeitsverhältnisse ausüben, sind dort meist mit Tätigkeiten befasst, die in hohem Maße partialisiert, niedrig entlohnt, auf den unteren hierarchischen Ebenen angesiedelt sind und dem sogenannten "weiblichen Arbeitsvermögen"2, das aus der historischen Beschränkung der Frau auf Haus- und Familienarbeit abgeleitet wird, entsprechen.
Es ist die Konzeptionierung der Frau als Hausarbeiterin, die dazu führt, dass viele Frauen in ökonomischer Abhängigkeit leben müssen. Die Notwendigkeit für diese Abhängigkeit wird oftmals mit der Doppelorientierung der Frauen auf Kind und Beruf begründet. Tatsächlich lassen sich für die meisten Frauen die Arbeitsbereiche Erwerbsarbeit und Hausarbeit nicht auseinanderreißen, weil sie über weite Strecken ihres Lebens den physischen und psychischen Anforderungen in beiden Bereichen ausgesetzt sind und diese ausbalancieren müssen (vgl. Becker-Schmidt u. a. 1982; Notz 1991). Die widersprüchlichen und ambivalenzträchtigen Erfahrungen, die dieser Balanceakt erzeugt, haben Becker-Schmidt u. a. (1982 und 1983) herausgearbeitet. Die immensen Benachteiligungen, die sich für Frauen aus der "Doppelorientierung" ergeben, setzen jedoch vor der Mutterschaft an, wirken weit über diese hinaus und betreffen auch Frauen, die niemals Mütter waren oder werden wollen.
2 - Zur Auseinandersetzung mit dem "weiblichen Arbeitsvermögen" siehe Knapp, Gudrun-Axeli: Arbeitsteilung und Sozialisation: Konstellationen von Arbeitsvermögen und Arbeitskraft im Lebenszusammenhang von Frauen, in: Beer, Ursula (Hrsg.): Klasse Geschlecht. Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, Bielefeld 1987, S. 236-273.In diesem Arbeitsbegriff sind destruktive Tätigkeiten, die der Zerstörung von Mit- und Umwelt und kriegerischen Auseinandersetzungen dienen, nicht verankert. Diese Tätigkeiten sind heute mit großer gesellschaftlicher Akzeptanz und hoher materieller Alimentation versehen. Geht man von einem Arbeitsbegriff aus, der gesellschafltich nützliche Arbeit bezeichnet, so fallen sie nicht unter Produktionsarbeiten und gehören auch nicht zu den Reproduktionsarbeiten. Sie fallen in den Bereich der Destruktion. Arbeit in Initiativen, die sich gegen Zerstörungsarbeit wenden, wäre gesellschaftlich nützliche Arbeit und daher unter die Reproduktionsarbeiten zu subsumieren, sie wären für eine Zivilgesellschaft wünschenswertes bürgerschaftliches Engagement (vgl. Notz 1999 a). Betriebliche Initiativen zur Konversion von Vernichtungs- und Rüstungsindustrie gehören selbstverständlich in den Bereich der Produktionsarbeiten.
Die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen Destruktion und Produktion wie auch zwischen Produkt und Destrukt - liegen in der moderenen Technikgesellschaft auf der Hand. Technik - z. B. in Form des Autos - kann Gegenstand von Arbeit sein, Gebrauchsgegenstand für das Subjekt oder auch - global betrachtet - Instrument von Umweltvernichtung (Siebel 1990, S. 18). Ein "Weg mit dem Auto!" wäre dennoch zu einfach. Die Entscheidung, ob Arbeitsplätze in der Automobilindustrie bereits "Todesplätze" (Robert Jungk) sind, ist schwer zu treffen. Das Auto ist - wie zahlreiche andere technische Instrumente ein Vehikel situativer Vieldeutigkeit. Für Frauen kann das Auto (z. B. Nachttaxi) auch ein Schutzraum gegen Männergewalt und damit Vehikel für persönliche Freizügigkeit sein (vgl. Janshen 1990, S. 29). Eine Ablehnung des Autos als Destrukt bedarf zudem nicht nur alternativer Verkehrs- und Stadtplanung, sondern auch einer Konversion des Automobilsektors für gesellschaftlich nützliche Zwecke, damit Erwerbsarbeitsplatzverluste auf breiter Ebene verhindert werden.
Eine andere Arbeitsform, die mit dem oben entwickelten Arbeitsbegriff ebenfalls nicht erfasst wird, ist die "Beziehungsarbeit". Er wird in der Frauenforschung oft verwendet. Kontos/ Walser (1979, S. 97 ff.) benutzen diesen Begriff, um damit die psychischen Dimensionen der Hausarbeit zu fassen. Diese psychischen Dimensionen grenzen sie ab von der materiellen Hausarbeit. Die Schwierigkeit einer empirischen Trennung führen sie auf die Unsichtbarkeit der "Beziehungsarbeit" und die Vermischung derselben mit der "von Arbeit unabhängigen Interessen an menschlicher Beziehung" zurück.
Die Schwierigkeiten der Abgrenzung resultieren jedoch vor allem daraus, dass auch "einfache" materielle Hausfrauentätigkeiten psychische Dimensionen beinhalten. Die psychische Durchdringung erstreckt sich gleichermaßen auf Hausarbeit wie auch auf unbezahlte Arbeit. Ebenso auf Hausarbeit als bezahlt geleisteter Arbeit. Sie trifft ebenso auf die Erziehungsarbeit zu, wie sie durch Tagesmütter oder in einer Institution durch arbeitende Erzieherinnen geleistet wird. Zweifelsohne sind also mit dem Begriff "Beziehungsarbeit" Anforderungen bezeichnet, die sowohl in der Reproduktionsarbeit, als auch in der Produktionsarbeit vorwiegend von Frauen verlangt und auch erfüllt werden. Ein Blick in die Geschichte der Professionalisierung der Heil- und Pflegeberufe zeigt, dass das Image solcher Frauenberufe seit Beginn der Industrialisierung von der jeweiligen gesellschaftlichen Bewertung der "Beziehungsarbeit" abhängt. Das führt dazu, dass einerseits unterstellt wird, die notwendigen Qualifikationen könnten gar nicht erlernt werden, weil sie zum Repertoire "weiblicher Fähigkeiten" gehörten, andererseits wird angenommen, dass infolge komplexer werdender psychischer und physischer Notlagen eine Verwissenschaftlichung der Ausbildung dringend erforderlich ist (vgl. Notz 1986). Die jeweilige Bewertung der Arbeit ist abhängig davon, ob genügend Frauen zur Verfügung stehen, die diese Arbeit unbezahlt leisten können. Auch davon, ob Männer es wünschenswert finden, in diese Arbeitsbereiche einzudringen, in welcher Höhe sozialstaatliche Mittel für diese Arbeiten bereitgestellt werden und davon, ob die Wirtschaft die Eingliederung der Frauen braucht oder nicht, also von der Sozial-, Familien- und Wirtschaftspolitik gleichermaßen.
"Beziehungsarbeiten" sollen hier nicht unter dem Arbeitsbegriff gefasst
werden, weil sie mit allen anderen Arbeiten kohärent sind. Sie sind zur
Ausübung der verschiedenen Arbeiten an allen Arbeitsorten notwendige Qualifikationen.
Deshalb zählen sie zu den sozialen Qualifikationen, die - im Sinne einer
Entpolarisierung der Geschlechterverhältnisse - von Frauen wie Männern
im Zusammenhang mit allen Arbeitsverhältnissen zu erbringen wären.
Angesichts der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung, verbunden mit Erwerbslosigkeit, Orientierungslosigkeit und Armut, aber auch angesichts der gewachsenen Bedürfnisse der Menschen an gesellschaftlicher Teilhabe und eigenständiger Existenzsicherung durch sinnvolle, gesellschaftlich nützliche und möglichst selbstbestimmte Arbeit, kommt es darauf an, Konzepte zu entwickeln, wie die begrenzt vorhandene sinnvolle bezahlte Arbeit auf mehr Menschen verteilt werden kann. Das bedingt aber auch Überlegungen für eine gleichmäßigere Verteilung der massenhaft vorhandenen, momentan unbezahlt geleisteten Arbeit. Allein die Verkürzung der "Normalarbeitszeit" im Produktionsbereich, für Menschen, die sie jetzt ausfüllen, wird nicht ausreichen. Allein durch eine Aufwertung der im Bereich der Reproduktion geleisteten Arbeit, also ohne eine Veränderung der Arbeitsteilung und der Arbeitsorganisation auch in der nicht-lohnabhängigen Arbeit, können die Probleme, die durch forcierte Modernisierung, Individualisierung, rabiate Indiustrialisierung und Naturzerstörung entstehen, ebenfalls nicht gelöst werden.
Betrachten wir Konzepte und Strategien zur "Lösung" der aktuellen Arbeitsmarktprobleme, so wird die Verkehrung feministischer Forderungen und Anliegen deutlich. Der von Feministinnen geforderte "erweiterte" Arbeitsbegriff wird zwar aufgenommen, aber geradezu ins Gegenteil verkehrt, indem bisher im Bereich der Reproduktion angesiedelte Tätigkeiten als Arbeit ideologisch aufgewertet werden. Letzlich dient eine solche Aufwertung dazu, dass diesen Arbeiten Ersatzfunktionen zur Abmilderung der sozialstaatlichen Abbaustrategie zukommen sollen. Der Staat verabschiedet sich aus der Verantwortung für das Gemeinwohl, indem er an den Gemeinsinn von BürgerInnen appelliert (vgl. Notz 1998).
(Vor allem) Frauen sollen danach mit "Bürgergeld" (Beck 1997, Kommission für Zukunftsfragen 1998) oder Lohn für Familienarbeit und "Erziehungsgehalt" (Leipert/ Opielka 1998) ausstaffiert und aus den Listen der um Erwerbsarbeit Nachsuchenden gestrichen werden. So fordert z. B. die Deutsche Hausfrauengewerkschaft (dhg) ein "gebührendes Äquivalent" für Familienarbeit, weil deren (rein) ideologische Aufwertung die dort organisierten Frauen nicht mehr zufrieden stellt. Hier wird davon ausgegangen, dass sich viele Frauen nach der Geburt eines Kindes bewusst dafür entscheiden, "Familienarbeit" zu leisten. Diese Frauen würden gewissermaßen einen Berufswechsel vollziehen, der gleichwertige Entlohnung verlangt (vgl. Metz 1998). In diese Richtung gehen auch Konzepte zum "Erziehungsgehalt" (Leipert/ Opielka 1998). Sie operieren explizit mit einem feministischen Arbeitsbegriff. Mit derartigen Konzepten wird Haus- und Erziehungsarbeit unter den traditionellen Arbeitsbegriff subsumiert, mit ein wenig Taschengeld versehen, ohne dass Strukturveränderungen irgendwelcher Art beabsichtigt sind. Letztlich sollen durch eine solche Aufwertung der häuslichen Arbeiten Frauen aus der bezahlten Arbeit in ihre alten Rollen zurückgedrängt werden. Die Exklusion aus gesellschaftlich organisierter Arbeit mit allen damit verbundenen Nachteilen - unter anderem den Schwierigkeiten der späteren Wiedereingliederung wird reproduziert. Selbst dann, wenn die Arbeiten Männern angeboten werden, haben Frauen die Nachteile zu tragen. Das Beispiel Elternzeit mit einer Inanspruchnahme durch Väter von unter 2 % zeigt deutlich, wie wenig attraktiv ein solcher Berufswechsel für Männer ist.
Unberücksichtigt bleibt zudem die Tatsache, dass vor allem Frauen gar nicht unter verschiedenen Arbeitsbereichen und Arbeitsorten auswählen können, weil der Arbeitsmarkt für viele keine existenzsichernde Arbeit zur Verfügung stellt und/oder weil die Optionen aufgrund fehlender Kinderbetreuung bzw. mangelnder struktureller Möglichkeiten, Berufstätigkeit und Kinderhaben zu vereinbaren, gar nicht zur Verfügung stehen. Frauen, die in Hausarbeitsverhältnissen arbeiten, bleiben kollektive Arbeitszusammenhänge versperrt. Sie arbeiten nach wie vor isoliert und vereinzelt in ihren Häusern und Wohnungen. Hausfrauen haben keine Kolleginnen, mit denen sie kooperieren und kommunizieren können, mit denen sie sich gegen ungerechte Zumutungen zur Wehr setzen können. Ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen ist begrenzt und meist über die gesellschaftliche Position ihres (Ehe-)mannes bestimmt, auf dessen Informations- und Gesprächsbereitschaft sie weitestgehend angewiesen sind. Was Margarete Schütte-Lihotzky, die berühmte Erfinderin der Frankfurter Küche 1926 sagte, gilt auch heute noch: Jede denkende Frau muss die Rückständigkeit bisheriger Haushaltsführung empfinden und darin schwerste Hemmung eigener Entwicklung erkennen (zit. nach taz vom 23.2.1997). Das heißt, sie muss etwas gegen die Rückständigkeit tun. Statt auf weitere Individualisierung der Haus- und Erziehungsarbeit zu setzen, suchte die sozialistische Bewegung früher nach anderen Fromen der Entlastung, nämlich teilweise Vergesellschaftung der Hausarbeit (vgl. Bebel 1902, S. 227). Davon sind wir (wieder) weit entfernt.
In der Zukunft muss es darum gehen, die herkömmliche Trennung von ökonomisch und außerökonomisch, sowie deren geschlechterspezifische Zuordnung grundsätzlich in Frage zu stellen. Daraus kann dann abgeleitet werden, welcher institutionellen Änderungen es in Beruf, Gemeinwesen, Politik und Haushalt bedarf, damit Frauen und Männer die dort anfallenden Arbeiten ebenbürtig erledigen können und damit Geschlechterdifferenzen und schichtspezifische Differenzen abgebaut werden.
6. Verbindung von feministischer Kritik und Utopie
Notwendig wird eine feministische Wissenschaftskritik, die den traditionellen
Begriff Arbeit kritisiert und als völlig falsch entlarvt. Die bloße
Erweiterung des Arbeitsbegriffs um Reproduktionsarbeiten reicht nicht. Die Kritik
der Arbeit in kapitalistischen Verhältnissen zielt über die Forderung
nach Einbeziehung aller jetzt unbezahlt geleisteten Arbeiten in die Lohnform
hinaus. Schließlich geht es um eine Kritik an der Lohnförmigkeit
auch der jetzt bezahlt geleisteten Arbeit und der Abhängigkeit der bloßen
Existenz vom gezahlten Lohn. Und diese Kritik muss geschlechtsspezifisch geführt
werden.
Unter diesem Aspekt ist das Phänomen Arbeit zweifach zu analysieren. Einmal unter dem Aspekt einer funktionalisierten, d. h. entpersonalisierten Form, bei der es um den optimalen Einsatz der Arbeit zur wirtschaftlichen Zielerreichung geht, zum anderen in einer personalisierten, d. h. entfunktionalisierten Form, bei der der/die TrägerIn der Arbeit, also der/die ArbeiterIn im Mittelpunkt der Analyse steht. Die Kritik muss auch die Inhalte aller Arbeitsbereiche erfassen. Sie muss also auch die Unterscheidung zwischen dispositiven Faktoren (Planung, Anweisung, Organisation) und ausführenden Faktoren in allen Arbeitsbereichen enthalten, ebenso wie sie die Ausrichtung auf lebenslange Ganztagsarbeit (für Männer) kritisieren muss, wie die Ausrichtung auf lebenslange Sorgearbeit (für Frauen). Neben die Problematisierung inhumaner fremdbestimmter Arbeitsbedingungen in der Produktionsarbeit muss die Problematisierung des kommunikationslosen Charakters der Arbeit in den Küchen und Kinderzimmern treten, die ebenso wie viele Formen der "Eigenarbeit", Subsistenzarbeit und anderer nicht marktvermittelter Versorgungsarbeit vom toten Kapital definiert wird, genau so wie die Arbeit in der großen und kleinen Fabrik.
Konstruktive Kritik kann nur unter den Bedingungen einer Zielvorstellung, also einer Vorstellung vom Anderen, Besseren, von sinnvoller Lebens-Arbeit erfolgen. Schließlich geht es um die Aufhebung der entfremdeten Arbeit und um persönlichkeitsfördernde Arbeit in allen Arbeitsbereichen sowie um die Teilhabe von Männern und Frauen am ganzen Leben. Der Kritikbegriff muss mit einem neuen Utopiebegriff zusammengebracht werden. Das hieße, eine Verallgemeinerung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit (bezahlter und unbezahlter, auch gemeinwesenorientierter und ehrenamtlicher Arbeit) auf alle anzustreben, ebenso wie ein Recht auf eigene Existenzsicherung durch sinnvolle und selbstbestimmte Arbeit für alle Menschen, die das wollen, zu verankern. Erst durch die Möglichkeit der eigenständigen Existenzsicherung können die befreienden und die sozialen Dimensionen nicht-marktförmiger Arbeit ohne zusätzliche Ausbeutung wirklich werden. Schließlich kann sich auch Gemeinwesenarbeit oder die Arbeit für das gemeine Eigene (Möller 1997) einer Entlohnung würdig erweisen, wenn sie entsprechend organisiert ist. Ziel wäre ein Arbeitsverständnis, in dem Erwerbsarbeit, Haus- und Sorgearbeit, Subsistenzarbeit und die Arbeit im sozialen, politischen, kulturellen, künstlerischen und gemeinwesenorientierten Bereich zeitlich, räumlich und inhaltlich eine Einheit darstellen, in die die Verantwortung für die Mit- und Umwelt und die Sorge und Hilfe für menschenwürdiges Leben von Kindern, Jugendlichen, Kranken und alten Menschen integriert werden kann. Dies wäre eine Gesellschaft, in der die "freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist" (Marx/ Engels, MEW 4, S. 482).
Notwendige Voraussetzungen sind eine Verkürzung der Vollzeiterwerbsarbeit und ein Abbau von Überstunden in diesem Bereich, eine Wiederaufnahme der Diskussion um Humanisierung und Demokratisierung der Arbeit und um eine Erweiterung der Handlungsspielräume in der Arbeit und zwar für alle Bereiche von bezahlt und unbezahlt geleisteter Arbeit, schließlich soll es nicht um eine Umverteilung des verschimmelten Kuchens gehen. Notwendig wird auch die Bereitstellung pädagogisch und pflegerisch wertvoller Infrastruktur und bildungspolitische und gesellschaftliche sowie normative Regelungen, die geeignet sind, die Verweigerungshaltung der Männer im Blick auf die (individuelle und kollektive) Übernahme von unbezahlter Haus- und Sorgearbeit und der damit verbundenen Verantwortung zu brechen. Dass eine solche Neugestaltung aller Arbeitsaufgaben mit der Qualifizierung der Personen für alle Arbeitsbereiche einhergehen muss, versteht sich von selbst. Neben den fachlichen und pflegerischen Kompetenzen sind soziale und kritische Kompetenzen notwendig, die dazu befähigen,sich kritisch mit der betrieblichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit auseinanderzusetzen und Verantwortung zu übernehmen (vgl. Notz 1999 b, S. 91). Um solche Qualifikationen anzuwenden braucht es freilich auch überall entwicklungsfördernde Arbeitsbedingungen (Volpert 1994, S. 105), die Kooperation und unmittelbaren zwischenmenschlichen Kontakt ermöglichen und fördern.
Genossenschaftliche und kommunitäre Arbeits-und Lebensformen, zu denen sich Menschen zusammenschließen, um gemeinsam Dinge zu tun, die sie alleine gar nicht tun wollen oder können, und die ganzheitlich und ohne patriarchale Hierarchien arbeiten und handeln wollen, gehen in diese Richtung. Die weitestgehenden sind die Komunen, weil sie über die Partialisierung in Leben und Arbeiten hinausreichen und versuchen, beides zusammenzubringen (vgl. Notz 1999 c, S. 129 ff.). Sie alle setzen auf die Kraft des Experimentes und werden vielleicht immer weitere Gebiete erschließen und ihre Konzepte und Ideen in immer weitere Kreise tragen.
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* Dr. Gisela Notz ist seit 1979 wissenschaftliche Referentin in der Friedrich-Ebert-Stiftung,
Bonn