Brasilien, ein Paradox

Eine literarisch-politische Annäherung an die dramatischen Veränderungen in Brasilien
03.02.2016, Frankfurt/Main

Brasilien ist ein widersprüchliches Land, sagte Luiz Ruffato bereits anlässlich seiner Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse 2013. Als Schriftsteller beschreibt er den Weg dieses Riesenlandes von der Agrargesellschaft bis ins postindustrielle Zeitalter und war als erfolgreiches Arbeiterkind geradezu beispielhaft für das neue Brasilien, das scheinbar den Weg aus der Unterentwicklung in den Rang eines global Players geschafft hatte und unter der Ägide der Arbeiterpartei sogar die Unterprivilegierten der Gesellschaft am Wohlstand beteiligte.

Ruffato beobachtete diese Entwicklung nicht nur literarisch, sondern wies stets auch als politisch-moralischer Kommentator auf die Defizite der scheinbar traumhaften Entwicklung hin. Seit die Regierung, die sich als erste Regierung Brasiliens ernsthaft mit der grassierenden Korruption auseinandergesetzt hat und sogar eigene Parteigänger ins Gefängnis brachte, nun über genau jene Korruptionsskandale in Bedrängnis gerät, begleitet von einer Wirtschaftskrise die längst zur moralischen Krise eines ganzen Landes geworden ist, sind Literaten wie Luiz Ruffato gefragt, um zu beschreiben, was wirklich passiert und wo die tieferen Ursachen der Krise liegen.

Der Abraum der Eisenerzmine, die über Jahrzehnte den Wohlstand der umliegenden Gemeinden garantierte, verseucht gerade die Lebensader einer ganzen Region. Als wäre ein Traum zerplatzt. Fast könnte man dies als Symbol für die Krise Brasiliens nehmen…

Kurze Biographie:

Luiz Ruffato ist einer der wichtigsten brasilianischen Autoren der Gegenwart, unter den in letzter Zeit veröffentlichten zweifellos der Bedeutendste und unter mehreren Aspekten besonders interessant.

Ruffato kam 1961 in Cataguases im Bergland von Minas Gerais als Kind italienischer Einwanderer zur Welt, arbeitete als Verkäufer, Textilarbeiter und Schlosser, um dann in der nächstgelegenen Stadt Juiz de Fora Journalismus zu studieren. Nach seinem Abschluss ging er nach São Paulo und arbeitete tatsächlich einige Jahre als Journalist und in der PR-Branche, bis er sich fast ausschließlich dem Schreiben zuwandte.

Sein erster Roman „Eles eram muitos cavalos“ (2001; Deutsch: Es waren viele Pferde, Ass. A, 2012) machte ihn schnell bekannt als eine der innovativen Stimmen der brasilianischen Literatur. Anders als die meisten jüngeren Schriftsteller Brasiliens beschäftigt er sich explizit mit der Perspektive der einfachen Leute, verbindet dies aber mit einem eigenen, poetischen, von der klassischen Moderne inspirierten Stil, der in Brasilien einzigartig ist.

Während „Es waren viele Pferde“ die Polyphonie und den Rhythmus der unterschiedlichen Lebenswelten São Paulos beschreibt, beschäftigt sich sein Romanzyklus „Inferno Provisório“ (Provisorische Hölle) mit der Migration nach und innerhalb Brasiliens. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller ist Ruffato Herausgeber viel beachteter Anthologien, darunter „25 Mulheres que fizeram a literatura brasileira“ („25 Frauen, die brasilianische Literatur schrieben“, 2002), „Questão da Pele“ („Eine Frage der Hautfarbe“, 2009) oder „Entre Nós“ („Unter uns“, 2007) eine der ersten Anthologien homosexueller Literatur in Brasilien. Ruffato ist damit nicht nur ein Literat von Format, sondern auch ein engagierter Kulturvermittler.

Diskussionsabend (Sprache: Deutsch-Portugiesisch) mit:

Luiz Ruffato Autor und Journalist, schreibt jeden Montag in „El País“ - Ausgabe Brasil (e-Zeitung)

Moderation und Übersetzung:

Michael Kegler Übersetzer und Literaturkritiker

Brasilien, ein Paradox
Eine literarisch-politische Annäherung an die dramatischen Veränderungen in Brasilien
Diskussionsabend (Sprache: Deutsch-Portugiesisch)
Mittwoch, 03. Februar 2016, 19:30 Uhr
Haus am Dom, Domstr. 3, Frankfurt/Main
Kooperationspartner
CCBF – Brasilianischen Kulturzentrum Frankfurt am Main, Haus am Dom, litprom u.a.