Die Corona-Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die Care-Arbeit ist und wie wichtig die sozialen Beziehungen untereinander sind. Kapitalistische Wirtschaftssysteme stellen hingegen individuelle Interessen vor das gesellschaftliche Gemeinwohl und (weltweite) Solidarität. Care-Arbeit, also das Kümmern um sich selbst und um andere, spielt dabei, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Aber nicht nur gesellschaftliche und globale Solidarität geraten ins Hintertreffen, auch die natürlichen und klimatischen Grundlagen unseres Planeten geraten an ihre Grenzen.
Ein Vorschlag, diese Wirtschaftsweise ganz grundlegend zu verändern, ist der einer Care-Ökonomie oder Care Revolution. Im Wesentlichen soll in diesem Konzept profitorientiertes Wirtschaften und darauf aufbauende, durch Konkurrenz und Ausgrenzung geprägte gesellschaftliche Beziehungen, zugunsten von Sorge und Solidarität zurückgedrängt werden. Das hat Folgen für die Bedeutung der Erwerbsarbeit, das Geschlechterverhältnis, aber auch für die ökologischen Fragen, weil die Grenzen des Wachstums in einer solchen Ökonomie anders betrachtet werden. In der Strategie der Care-Revolution stehen nicht Profitmaximierung und Kostensenkung im Zentrum, sondern menschliche Bedürfnisse, insbesondere die Sorge umeinander, sowie Rücksicht auf die Belastbarkeit der Ökosysteme. Care-Revolution beschreibt Wege, um das Wachstum als Selbstzweck und die Erwerbszentrierung zu überwinden.
Wie sieht diese „Care-Revolution“ im Einzelnen aus? Welche Schritte müssen dafür von wem gegangen werden? Wer sind die zentralen AkteurInnen und wie kann für solch ein Konzept eine Mehrheit organisiert werden? Und last but not least: In welchem Kontext kann eine Care-Ökonomie innerhalb eines globalen Kapitalismus überhaupt gedacht und umgesetzt werden?
Zur Reihe Böll Economics
Die Reihe Böll Economics befasst sich sowohl mit grundlegenden wie aktuellen Fragen aus den Bereichen Wirtschaft, Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswissenschaft.
Bitte beachten Sie: Aufgrund der aktuellen Maßnahmen gegen das Coronavirus ist eine persönliche Teilnahme nicht möglich. Verfolgen Sie das Gespräch per Livestream auf unserem Youtube-Kanal und diskutieren Sie mit: boell-hessen.de/YouTube
Online-Gespräch mit:
Gabriele Winker Sozialwissenschaftlerin und Care-Aktivistin. Bis 2019 Professorin der TU Hamburg und Mitbegründerin des Netzwerks Care Revolution
Wolfgang Strengmann-Kuhn MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik und europäische Sozialpolitik, Frankfurt/Main