Frankreich vor der Zerreissprobe?
Unser Nachbarland Frankreich befindet sich seit Jahren in einer zunehmend existenzbedrohenden Krise. Die Wirtschaft läuft nicht gut, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die sozialen Disparitäten sind entsprechend heftig, die Spannungen innerhalb der Bevölkerung nehmen zu und die demokratischen Parteien verlieren massiv an Unterstützung. Zwar konnte der Front National (FN) bei den Regionalwahlen, nicht zuletzt dank der Einsicht der Sozialistischen Partei, keine Mehrheit in einer der 13 Regionen gewinnen. Aber insgesamt ist der FN deutlich gestärkt worden und treibt somit auch den französischen Zeitgeist immer weiter nach rechts. Die beiden Anschläge im Januar und im November mit über hundert Toten und der verhängte Ausnahmezustand tun ein Übriges.
Wie ernst ist die innenpolitische Situation nach den Terroranschlägen in Frankreich derzeit tatsächlich? In welchem Verhältnis stehen Terror, Re-Islamisierung und Aufstieg des FN zueinander? Welche Ansätze gibt es, diese sich selbst verstärkende Krisenspirale zu durchbrechen? Ist die Warnung des französischen Ministerpräsidenten Manuel Valls zutreffend, dass Frankreich im Falle eines Wahlsieges des FN ein Bürgerkrieg droht? Warum wird nicht intensiv mit rechtstaatlichen Mitteln gegen diese laut Valls „antisemitische, rassistische Partei“ vorgegangen und andererseits die bislang deutlich verfehlte Integrationspolitik aufgegeben? Welche Kräfte gibt es in Frankreich, die an Reformen und Krisenlösungen arbeiten? Wie können diese unterstützt werden?
Über Europa in Bewegung
Die Europäische Union steht vor einer existenziellen Bewährungsprobe. Die Auseinandersetzungen um Griechenland und die europäische Austeritätspolitik, die Verhandlungen mit Großbritannien zur Vermeidung eines sogenannten Brexits und vor allem das zähe Ringen um eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik zeigen, wie groß die Differenzen innerhalb der Europäischen Union sind. Auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten finden teilweise tief greifende Umbruchprozesse statt, die von erheblichen Veränderungen in den politischen Parteiensystemen begleitet sind.
Die Reihe „Europa in Bewegung“ beleuchtet genauer die aktuellen Umbruchprozesse in einzelnen europäischen Ländern und fragt dabei nach den Kräften, die demokratische Reformprozesse in ihren jeweiligen Ländern tragen und Renationalisierungstendenzen entgegentreten können. Den Anfang machen die Umbruchprozesse in Spanien, in Frankreich und in Polen.
mit:
Jens Althoff Leiter des Büros Paris der Heinrich-Böll-Stiftung
Nikola Tietze Soziologin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, assoziiert am Hamburger Institut für Sozialforschung
Henrik Uterwedde ehem. Stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts, Ludwigsburg
Moderation:Uwe Gepp Journalist, Stellvertretender Chefredakteur des Evangelischen Pressedienstes (epd), Frankfurt/Main
vor der Zerreißprobe?