Italien nach der Wahl – Vorwärts in die Vergangenheit?

Reihe: Böll International05.12.2022, Frankfurt / YouTube

Als im Jahre 2000 die FPÖ Regierungspartei in Österreich wurde, war der europäische Aufschrei groß. Die EU verhängte Sanktionen und versuchte, das Land diplomatisch zu isolieren – letztlich ohne Erfolg. Als im Jahr darauf in Italien die Lega Nord und die Nationale Allianz, Nachfolgerin der Neofaschisten, Berlusconis Koalitionspartner wurden, herrschte beredtes Schweigen in Europa. Keine Drohungen, keine Sanktionen, keine diplomatischen oder politischen Interventionen. Folgerichtig geißelte Alexander Scheibe, dass hier mit zweierlei Maß gemessen werde und schlussfolgerte: „Ob man es nun gutheißt oder nicht: Spätestens seitdem es bei der Beteiligung von Alleanza Nazionale und der Lega Nord an der Regierung in Italien keine Reaktionen gab, sind Rechtspopulisten salonfähig im EU-Europa.“ (https://www.dw.com/de/zweierlei-maß/a-907188).

Nun, über 20 Jahre später, ist in Europa eine deutliche Zunahme rechtsextremer Parteien in Regierungen zu verzeichnen. Jüngst in Schweden und jetzt in Italien, wo die Postfaschistin Giorgia Meloni jetzt sogar die Regierung anführt. Auch diesmal sind Sanktionen gegen Italien kein Thema. Daraus ergeben sich auf mindestens drei Ebenen Fragen und Probleme von erheblicher Tragweite.

Was bedeutet diese Verschiebung weit nach rechts innenpolitisch? Sind Demokratie, Freiheit, Minderheitenrechte und andere europäische Werte im Gründungsland der EU bedroht? Werden sich in Italien die politischen und kulturellen Konflikte weiter verschärfen?

Dann stellt sich die Frage, was sich daraus für Europa ergeben könnte. Wird Italien in den europäischen Gremien Führungskraft einer Koalition der Unwilligen, die Fortschritte bei der Integration verhindern will? Wird die EU blockiert, was aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in vielen Bereichen recht einfach zu organisieren wäre? Wie könnte eine europäische Strategie mit Blick auf diese potentiell existenzbedrohende Herausforderung aussehen?

Schließlich ist Italien Mitglied der G7, mithin ein ökonomisches Schwergewicht. Gleichzeitig ist das Land hochverschuldet. Eine Krise der Staatsfinanzen unter einer von Postfaschisten geführten Regierung hätte ganz andere Konsequenzen, als die, die wir vor gut zehn Jahren in Griechenland gesehen haben. Der Euro und die EU insgesamt würde schwer angeschlagen, eine schwere Rezession hätte nicht absehbare Folgen. Wie ist damit umzugehen? Italien ökonomisch und finanziell stabilisieren, obwohl die Regierung für alles steht, was europäischen Werten und Zielen widerspricht?

Zur Reihe: BÖLL INTERNATIONAL

Zentrales Thema dieser Reihe sind die Konfliktlinien der internationalen Politik, wie regional begrenzte Kriege, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, Kämpfe um natürliche Ressourcen oder um den Zugang zu Bildung. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben sich die Konfliktlagen verschoben: Wo frühere Konflikte im Zeichen der Blockkonfrontation zwischen Ost und West standen, beobachten wir heute komplexere, vielfältig motivierte Auseinandersetzungen.

Unser Interesse gilt dabei den Fortschritten und Rückschlägen der weltweiten Demokratiebewegung und der Lage der Menschenrechte. Böll International bietet Analysen und Debatten – über die Entwicklungen in der Türkei, die Lage in Syrien und in Afghanistan, über die Spannungen in der Ukraine und auf der Krim, über das Verhältnis zu China, aber auch über die aktuellen Tendenzen in den USA und insgesamt über Verschiebungen in den Beziehungen und Kräfteverhältnissen weltweit.

Bitte beachten: Das Haus am Dom macht ab dem 2. April 2022 von seinem Hausrecht Gebrauch. Im gesamten Haus besteht nach wie vor die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

Diskussion mit:

Angelo Bolaffi Politikwissenschaftler und Philosoph, Universität La Sapienza, Rom

Giorgio Franceschini Referent für Außen- und Sicherheitspolitik, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin

Karoline Rörig Gründerin und Leiterin des Fachbüros für den deutsch-italienischen Dialog, Bonn

Moderation:

Bruno Schoch Assoziierter Forscher an der HSFK, Frankfurt/Main

Italien nach der Wahl – Vorwärts in die Vergangenheit?
Diskussion
Montag, 05. Dezember 2022, 19:00 Uhr
Haus am Dom, Domplatz 3, Frankfurt/Main
Kooperationspartner
Stiftung Ökohaus Frankfurt

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