Jenseits von Wahrheit und Lüge Politik im modernen Kapitalismus
Spätestens mit dem Erscheinen solcher Figuren wie Erdogan, Duterte, Bolsonaro und natürlich Trump hat sich die politische Landkarte grundlegend verschoben. Die Politik changiert nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge. Statt dessen löst sie sich vom Begriff der Wahrheit und findet ihre Grundlage zusehends in Wirklichkeitskonstruktionen, die von Machtinteressen, Befindlichkeiten und Konsumlogik dominiert sind. Ob diese Konstruktionen auf die Wahrheit oder Lügen zurückgehen, ist dabei nicht von Belang. Doch was passiert, wenn der politische Dialog sich vom Begriff der Wahrheit ebenso löst wie von dem der Lüge? Welche Konsequenzen bringt es mit sich, wenn über den Klimawandel nicht länger wie über eine wissenschaftliche Tatsache diskutiert wird, sondern wie über die Frage, wer welches Eis am liebsten mag? Und welchen Zusammenhang weist der Relevanzverlust politischer Wahrheiten zum weltweit um sich greifenden Autoritarismus auf? Um diese Fragen zu beantworten, reicht es nicht, an ethische Standards in Politik und Medien zu appellieren. Vielmehr müssen wir die Frage nach dem großen Ganzen stellen.
Vortrags- und Diskussionsreihe: Politik und Wahrheit
Ein wesentliches Merkmal der politischen Strategie von rechtspopulistischen Bewegungen und Regimen ist es, unliebsame Tatbestände zu Lügen oder zu „Fake News“ zu erklären und frei erfundene Zusammenhänge, die der eigenen Position Legitimität verschaffen sollen, zur Wahrheit. Bekannte Beispiele dafür sind etwa, wenn Donald Trump oder die AfD den Klimawandel leugnen oder Migration zur Ursache von Gewalt und Kriminalität erklären. Populistische Bewegungen und Regime sehen insbesondere in den traditionellen Medien wie Presse, Radio und Fernsehen generell einen ihrer wichtigsten Gegner. Dabei fällt auf, dass es gar nicht so sehr darum geht, ob irgendwelche Aussagen wahr oder unwahr sind, sondern vielmehr darum, diese Kategorien insgesamt wertlos zu machen. Als wahr erscheint in dieser Logik, was dem eigenen politischen Kalkül dienlich ist.
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Vortrag und Diskussion mit:
Lars Distelhorst (Potsdam)
Politik im modernen Kapitalismus