Der Wunsch nach einer gerechten Welt ist kein utopischer Traum. Das zeigen die beiden Commons-Experten Silke Helfrich und David Bollier in ihrem neuen Buch. Sie legen überkommene ökonomische Denkmuster frei und entwerfen ein Programm für ein gelingendes Miteinander, ein anderes Politikverständnis und ein sorgsames Wirtschaften ohne Wettbewerb und Profitstreben. Daneben bietet das Buch eine Sprache für die Welt von morgen. So verändert es nicht nur die Wirtschaft und die Politik – es verändert auch uns.
Dieses Buch liest sich wie eine Befreiung. Ja, doch, es gibt eine real existierende Alternative zum Kapitalismus und zum untergegangenen Staatssozialismus, zum übermächtigen Markt und Staat. Sie ist menschen- und naturfreundlich. Sie befriedigt Bedürfnisse und produziert Verbundenheit. Sie ist so alt wie die Menschheit und doch so modern wie neueste Software. Sie ist überall auf dem Globus präsentiert. Es handelt sich um die Commons. Manche sagen dazu auch „Gemeineigentum“, doch das ist unzulässig verkürzt. Die Wirtschaftswissenschaften haben für sie keine Begriffe, weil es beim Commoning, beim gemeinsamen Produzieren, Nutzen und Teilen, nicht auf Geld- und Machtvermehrung ankommt. Commons sind lebendige soziale Prozesse, in denen Menschen selbstorganisiert ihre Bedürfnisse befriedigen.
Um den „Zauber der Commons“ wiederherzustellen, hat das Autorenduo eine neue Philosophie der Bezogenheit entwickelt – mit vielen neuen Begriffen, die etwas in uns zum Klingen bringen. Wir alle sind ein „Ich-in-Bezogenheit“, unsere Identitäten sind vielfältig und aufeinander bezogen. Denn jedes Menschlein kann nur ein „ich“ werden, indem es in ein „wir“ hineinwächst und von ihm lernt. Daraus resultiert eine „Freiheit-in-Bezogenheit“. Und eine andere Form von Eigentum: das „beziehungshafte Eigentum“.
Mit großem theoretischen und empirischen Aufwand haben die beiden die Ergebnisse der Commons-Forscherin und Nobelpreisträgerin Ellinor Ostrom weiterentwickelt. Die „Triade der Commons“ entsteht demnach im alltäglichen Miteinander (soziale Sphäre), in der bewusster Selbstorganisation der Gleichrangigen (politische Sphäre) und in der gemeinsamen Befriedigung von Bedürfnissen (wirtschaftliche Sphäre). Dabei praktizieren die Beteiligten überall grundlegende Muster. Um nur einige zu nennen: „Beitragen ohne Zwänge“, „in Vielfalt gemeinsam ausrichten“ und „Wissen großzügig weitergeben“. Die Linux-Software etwa entstand, weil der Erfinder sein Wissen nicht patentierte, sondern quelloffen weitergab, sodass alle Beteiligten Linux gemeinsam verbessern konnten.
Durch Commoning kann heute praktisch alles gemeinsam produziert und genutzt werden, was sonst in Fabriken entsteht: Solarautos, Lampen, Stoffe, Möbel. Wohnraum wird geschaffen, Menschen gepflegt, Traktoren gebaut, Schulbücher verfasst, gemeinwohlorientierte Kreditsysteme gegründet und vieles mehr. In Projekten der Solidarischen Landwirtschaft wird Gemüse gezogen und das Risiko, dass die Ernte verhagelt, gemeinsam getragen. Das „Mietshäuser-Syndikat“ löst Wohnraum aus dem Markt und überlässt ihn Menschen, die zugleich Mieter und Eigentümer werden. Und Gemeinschaftswälder oder -gewässer sind wohl die ältesten Commons überhaupt: Bis zu 2,5 Milliarden Menschen sind auf Gemeinschaftsland angewiesen, das mehr als die Hälfte der globalen Landfläche ausmacht.
Die befreiende Botschaft des Buches: Die Macht der Commons ist real. Sie gehören zu einer Bewegung und Weltanschauung, die die Menschheit planetenfreundlich durch kommende Jahrhunderte tragen kann.
Das Buch ist ab dem 12. April bei der Heinrich-Böll-Stiftung (www.boell.de) sowie im Buchhandel erhältlich.