In Europa erleben wir zurzeit eine zunehmende Hetze gegen Geflüchtete und Migrant*innen und ebenso gegen die mit ihnen solidarischen Personen. In diesem Kontext werden auch ursprünglich emanzipatorische und kontextbezogene Konzepte der psychosozialen Arbeit immer mehr zu Instrumenten von Kontrolle und Ausgrenzung.
Der Begriff „Trauma“ steht ursprünglich für die Anerkennung der psychischen Folgen von Krieg und Gewalt. Heute gibt es in den medialen, politischen und akademischen Debatten die Tendenz, nach Europa geflüchtete Menschen pauschal als eine Gruppe der „Traumatisierten mit Gefährdungspotential und Behandlungsbedarf“ zu konstruieren und in der Folge zu stigmatisieren und zu pathologisieren. Dadurch wird aus dem Problem der gewalttätigen, ausgrenzenden Verhältnisse ein Problem der davon Betroffenen. Eine Debatte um die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Verhältnissen und individuellem Leid wird im derzeitigen politischen Klima immer schwieriger.
Auch in der Entwicklungszusammenarbeit in Kriegs- und Konfliktregionen haben Traumaprojekte Hochkonjunktur. In Anbetracht fehlender politischer Lösungen werden hier bisweilen ganze Bevölkerungsgruppen mit individualisierenden, biomedizinischen Traumadiagnosen überzogen und so der Blick auf die politischen Ursachen der Gewalt verstellt. Auch der Begriff der „Resilienz“, der ursprünglich für den Blick auf die Stärken, Ressourcen und Widerstandskräfte von Menschen gegen äußere Gewalt steht, erfährt eine neue Bedeutung: Unter dem Titel „Resilienz“ wird von Menschen, die von Krieg, Gewalt und rassistischer Ausgrenzung betroffen sind, erwartet, dass sie sich individuell stärken, um in der Krise zurechtzukommen und von Flucht und Migration Abstand zu nehmen. Die Verantwortung wird an die einzelnen Betroffenen zurückdelegiert. So werden Trauma- und Resilienzdiskurse ihrer politischen Dimension beraubt und zu Instrumenten, die den Status Quo festigen.
Als professionelle und ehrenamtliche Helfer*innen, die sich in der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten und/oder in Kriegs- und Krisengebieten engagieren, bewegen wir uns in einem permanenten Spannungsfeld:
Auf der einen Seite wissen wir, wie immens wichtig und wertvoll für Betroffene von Krieg und Gewalt psychosoziale und ressourcenstärkende Unterstützung und Traumaberatung sein können. Auf der anderen Seite werden wir mit eben dieser Praxis zunehmend vereinnahmt für nationale und europäische Sicherheitsstrategien der Abschottung und Fluchtbekämpfung.
Als professionelle und ehrenamtliche Helfer*innen, die sich in der psychosozialen Arbeit mit Geflüchteten und/oder in Kriegs- und Krisengebieten engagieren, bewegen wir uns in einem permanenten Spannungsfeld: Auf der einen Seite wissen wir, wie immens wichtig und wertvoll für Betroffene von Krieg und Gewalt psychosoziale und ressourcenstärkende Unterstützung und Traumaberatung sein können. Auf der anderen Seite werden wir mit eben dieser Praxis zunehmend vereinnahmt für nationale und europäische Sicherheitsstrategien der Abschottung und Fluchtbekämpfung.
Wir denken, es ist an der Zeit, uns über dieses politische und professionelle Dilemma auszutauschen und gemeinsam Positionen und Auswege zu diskutieren.
Wir wollen dies zusammen mit Kolleg*innen aus dem Irak, Libanon, Palestina, Ägypten und Südafrika tun, deren reiche und vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Gewalt in einer von westlichen Expert*innen dominierten Trauma- und Resilienzdebatte viel zu häufg ausgeblendet werden. Im Ergebnis möchten wir auf den Podien und in den Arbeitsgruppen alternative, solidarische und emanzipatorische Praxen psychosozialer Arbeit gemeinsam sichtbar machen.
Wir laden Sie und Euch ein, an dieser in vielerlei Hinsicht grenzüberschreitenden Debatte teilzunehmen!