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Wer hat Angst vor Gender Studies?

Über Feminismus, Gender und die Zukunft der Geschlechterforschung in neo-reaktionären Zeiten
24.04.2019, Frankfurt/Main
Foto: Stop Brexit March, 01/10/17, Megan Trace; CC BY-NC-SA 2.0

Dass die Geschlechterdifferenz nicht auf ein asoziales, ahistorisches Faktum reduziert werden kann, ist eine bekannte und vielfach erforschte Einsicht der multidisziplinären Gender Studies. Der Vortrag geht der Frage nach, welche Akteur*innen in welcher Weise und mit welchen Absichten Gender als Begriff und Konzept ausdrücklich ablehnen, attackieren und zu diffamieren suchen.

Wie Analysen zeigen, sind es vor allem rechtspopulistisch, autoritäre Konstellationen, die gegen den vermeintlichen „Genderwahn“ zu Felde ziehen. Mit der Chiffre ‚Anti-Genderismus‘ hat sich ein Diskurs formiert, der nicht nur viele, durchaus heterogene, Konstellationen zwischen rechtsextremen Kameradschaften über rechtskonservative Verbindungen und Parteien und dem Vatikan bis hin zum bürgerlichen Feuilleton verbindet, sondern der auch als neo-fundamentalistisch und explizit antiwissenschaftlicher Diskurs zu bezeichnen ist. Jene, die die diffamierende Rede führen, haben dabei durchaus verstanden, was der gender turn impliziert, nämlich in der Tat ein gestaltungsoffenes Verständnis von Geschlecht.

Hier artikulieren sich ‚Feinde der offenen Gesellschaft‘. Anti-Wissenschaftlichkeit wird als Element eines Dispositivs identifizierbar, das im Kern demokratiefeindlicher Natur ist.

Gender unter Druck.
Geschlechterpolitiken in Europa.

Es weht ein kalter Wind durch Europa. An Einfluss gewinnende rechtspopulistische Parteien profilieren sich mit europakritischen, autoritären Positionen. Im Mittelpunkt ihrer Programme stehen antifeministische und rassistische Forderungen. Gleichzeitig nutzen rechte Akteur*innen den Bezug auf Frauenrechte, um ihre Forderungen zu legitimieren und sich von denjenigen abzugrenzen, die aus ihrer Sicht nicht ‚dazugehören‘. Seit dem Amsterdamer Vertrag von 1997 ist die Arbeit der EU auf die Prinzipien des Gender Mainstreaming und die Bekämpfung von Diskriminierung auf Grund von Geschlecht, „Race“, ethnischer Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung/Beeinträchtigung, Alter und sexueller Orientierung verpflichtet. EU-Geschlechterpolitiken haben sich aus der engen Beschränkung auf Arbeitsmarktpolitik gelöst und zielen mittlerweile auf alle Politikfelder. Schwerpunkte sind neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Geschlechterungleichheit und Demokratiedefizite in der Politik sowie der Kampf gegen häusliche Gewalt.

Gender Mainstreaming ist rechtspopulistischen Bewegungen ein Dorn im Auge, weil sie Geschlechtergerechtigkeit nicht als Abschaffung von Ungerechtigkeit, sondern als Abschaffung von Geschlechterdifferenz verstehen. „Anti-Genderismus“ bekämpft vehement jedes Verständnis von Geschlecht, das Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität als ‚natürliche‘, unveränderliche Tatsache infrage stellt.

Europäische Demokratie braucht Feminismus. Die Vorträge fokussieren die Konstitution, Bedingungen und Ursachen von Anti-Genderismus und Antifeminismus rechter und rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien im europäischen Kontext und setzen sich aus rassismuskritischer, postkolonialer und feministischer Perspektive kritisch mit der EU als Bezugspunkt für intersektionale Kämpfe um soziale Gerechtigkeit auseinander. Dabei machen sie Allianzen und Gegenbewegungen sichtbar und setzen „fake news“ und Politiken der Ausgrenzung Informationen und alternative Handlungsstrategien entgegen.

Zum Programmflyer

Vortrag und Diskussion mit:

Sabine Hark Professor*in für Geschlechterforschung und Direktor*in des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin, Mitherausgeber*in der Zeitschrift feministische studien und Vorstandsmitglied von Wir Machen Das (wearedoingit e.V.). Aktuelle Publikationen: Koalitionen des Überlebens. Queere Bündnispolitiken im 21. Jahrhundert (2017); Unterscheiden und herrschen. Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart (mit Paula-Irene Villa, 2017).

Wer hat Angst vor Gender Studies?
Über Feminismus, Gender und die Zukunft der Geschlechterforschung in neo-reaktionären Zeiten
Vortrag und Diskussion
Mittwoch, 24. April 2019, 18:15 Uhr
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Hörsaal HZ 11, Theodor-W.-Adorno-Platz 5 60323 Frankfurt/Main
Kooperationspartner